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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0486
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Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 125-126 467

126, 10-16 Er sagt mit einer Unschuld, zu der man Grieche sein muss und nicht
„Christ", dass es gar keine platonische Philosophie geben würde, wenn es nicht
so schöne Jünglinge in Athen gäbe: deren Anblick sei es erst, was die Seele des
Philosophen in einen erotischen Taumel versetze und ihr keine Ruhe lasse, bis
sie den Samen aller hohen Dinge in ein so schönes Erdreich hinabgesenkt habe.]
Siehe Platon: Phaidros 249c-256e. Schopenhauer: Welt als Wille und Vorstellung
II 4, Kapitel 44 widmet der „Päderastie" (Homosexualität) einen „Anhang",
der sie zunächst betrachtet als „eine nicht bloß widernatürliche, sondern auch
im höchsten /644/ Grade widerwärtige und Abscheu erregende Monstrosität,
eine Handlung, auf welche allein eine völlig perverse, verschrobene und entar-
tete Menschennatur irgend ein Mal hätte gerathen können" (Schopenhauer
1873-1874, 3, 643 f.), dann aber angesichts ihrer historisch erstaunlichen Fre-
quenz als eine List der Natur, ältere Männer von der Zeugung schwacher Kinder
abzuhalten. Platon und Sokrates dienen Schopenhauer als Kronzeugen für die
antike Akzeptanz der „Päderastie": „Ebenfalls reden die Philosophen viel mehr
von dieser, als von der Weiberliebe: besonders scheint Plato fast keine andere
zu kennen, und eben so die Stoiker, welche sie als des Weisen würdig erwäh-
nen (Stob. ecl. eth., L. II, c. 7). Sogar dem Sokrates rühmt Plato, im Symposion,
es als eine beispiellose Heldenthat nach, daß er den, sich ihm dazu anbieten-
den Alkibiades verschmäht habe. In Xenophons Memorabilien spricht Sokrates
von der Päderastie als einer untadelhaften, sogar lobenswerthen Sache. (Stob.
Flor., Vol. 1, p. 57.) Eben so in den Memorabilien (Lib. I, cap. 3, § 8), woselbst
Sokrates vor den Gefahren der Liebe warnt, spricht er so ausschließlich von
der Knabenliebe, daß man denken sollte, es gäbe gar keine Weiber." (Schopen-
hauer 1873-1874, 3, 644).
126, 18 f. Zum Mindesten erräth man, dass in Athen anders philosophirt
wurde, vor Allem öffentlich.] Die Öffentlichkeitswirksamkeit von Philosophie
wird in N.s Frühwerk kaum exziplit gemacht, auch wenn sie z. B. in der Kritik
an Sokrates in GT mitschwingt. M 367 lässt die griechische Philosophie als
„Sache des öffentlichen Wetteifers" (KSA 3, 243, 17) in ambivalentem Licht
erscheinen, insofern sie unter intellektuelle und lebenspraktische Zugzwänge
setzt.
126, 19 f. Nichts ist weniger griechisch als die Begriffs-Spinneweberei eines Ein-
siedlers] „Spinneweberei" mit Begriffen kommt in Ns. Spätwerk zur polemischen
Charakterisierung eines realitätsvergessenen Philosophierens gelegentlich vor,
vgl. z. B. GD Die „Vernunft" in der Philosophie, KSA 6, 76, 31 u. NL 1887/88, KSA
13, 11[55], 27, 14 (KGW IX 7, W II 3, 174, 6). Während das Verb „spinn(e)weben" im
Sinne von „Spinnweben fertigen" bei Grimm 1854-1971, 16, 2541 belegt ist, fehlt
dort die Spinneweberei. Es handelt sich aber nicht um einen Neologismus N.s —
 
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