Metadaten

Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0490
License: In Copyright

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 127 471

all des Genies, das in die Entwicklung einer Fabel, die als Beispiel dienen
sollte, gelegt wird, wird eine andere Fabel immer als Gegenbeweis eingebracht
werden können, weil die Ausgänge der Geschichten keine endgültigen Konklu-
sionen sind. Von einem Einzelfall /164/ darf nichts Allgemeines abgeleitet wer-
den, und die Menschen, die sich in diesem Bezug fortschrittlich glauben, verhal-
ten sich gegen die moderne Wissenschaft, die verlangt, dass eine große Zahl von
Tatsachen gesammelt werden muss, bevor ein Gesetz ermittelt werden kann...'
Ich wüsste keinen Schriftsteller, der richtiger und tiefgreifender den philoso-
phischen Grund formuliert hätte, weshalb die Literatur unabhängig sein
sollte").
N. nennt in NL 1885/86, KSA 12, 2[173], 153 (KGW IX 5, W I 8, 62, 22-26) für
seine Verhältnisse eine Quelle ungewöhnlich präzise: „Zu l'art pour l'art cf.
Doudan pensees p. 10 wie der Cultus der Farben depravirt". Gemeint sind
Ximenes Doudans Pensees et fragments, wo freilich die Wendung „l'art pour
l'art" nicht fällt: „C'est ä propos de M. de Chateaubriand surtout, qu'on pour-
rait faire une etude sur la declamation. Ceux qui n'aiment point cet ecrivain
et son brillant langage, ont tort et raison. La plupart, cependant, ne l'aiment
point par pauvrete d'imagination, mais il se pourrait qu'on ne l'aimät pas par
force de sentiment du vrai beau et de la grande simplicite. Le coloris vif et
savant prodigue sur tout, n'accuse-t-il pas que l'auteur a plutöt un parti pris
d'etre emu qu'il n'est emu reellement? La vraie lumiere, la lumiere du jour, a
des conditions de decroissance et d'ombres qu'on ne retrouve pas dans une
illumination; les ombres sont plus tranchees. C'est peut-etre une image assez
sensible de la difference entre les belles pages d'un Bossuet, d'un Virgile, d'un
Homere, d'un Milton et les pages brillantes de J.-J. Rousseau, de Lucain, de M.
de Chateaubriand. Un reproche qui va plus loin et qui peut s'adresser ä ces
grands coloristes par etat, c'est que le dessein d'eblouir le plus souvent pos-
sible donne aux idees et aux sentiments un degre de vivacite et de relief qui
n'est pas selon la nature." (Doudan 1881, 10; Kursiviertes von N. unterstrichen;
von „pages brillantes" bis „par etat" Randstrich rechts. „Vor allem im Bezug
auf Herrn de Chateaubriand könnte man eine Studie über die Deklamation
machen. Diejenigen, die diesen Schriftsteller und seine prächtige Sprache nicht
mögen, haben recht und unrecht zugleich. Die Mehrheit liebt ihn jedoch nicht
aus fehlendem Vorstellungsvermögen, aber es könnte sein, dass man ihn
wegen des Gefühls der wahren Schönheit und der großen Einfachheit nicht
liebte. Das lebendige und gelehrte Kolorit, mit dem alles überhäuft wird,
beschuldigt es nicht den Autor, sich eher einer künstlichen Ergriffenheit hinzu-
geben als wirklich ergriffen zu sein? Das wirkliche Licht, das Tageslicht hat
Bedingungen der Abnahme und des Schattens, die man im künstlichen Licht
nicht findet; die Schatten sind viel schärfer. Dies ist vielleicht ein sehr
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften