Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 129-130 481
Rettung der Gralsritterschaft, sondern um die Erholung des Publikums, das
über der Kunst die Lasten seines ökonomischen Daseins vergisst. Während die
Literatur der Wagnerianer, einschließlich N.s Geburt der Tragödie, Wagners
Gesamtwerk zu einer religiösen Erlösungstat stilisiert (exemplarisch Nohl o. J.,
119-121), desillusioniert N. später die Kunst — insbesondere diejenige Wag-
ners — als Unterhaltung und regenerativen Zeitvertreib. Es fällt auf, dass bei
N. das Motiv des reinen Toren trotz viel früherer Lektüre des Parsifal (1877, vgl.
NPB 642) in den publizierten Werken erst 1888, aber da gehäuft auftritt (vgl.
NK KSA 6, 34, 12 f.; 43, 23; 204, 18; 276, 10 f.; 304, 16 f.; im Nachlass scheint
der reine Tor schon früher präsent zu sein, vgl. NL 1885, KSA 11, 34[205], 491 =
KGW IX 1, N VII I, 47, 26-40-48, 2-45, falls die Datierung hier stimmt). Diese
Häufung dürfte mit der Lektüre von Nohl zusammenhängen, der auf die reine
Torheit bei seiner Rekapitulation des Parsifal besonderen Wert legt (Nohl o. J.
112, 114 u. ö.). Zur „reinen Thorheit" in N.s Spätwerk siehe auch Sommer
2000a, 323, Fn. 226.
31
130, 19 Noch ein Problem der Diät.] Vgl. GD Die vier grossen Irrthümer
1, KSA 6, 88 f.
130, 19-26 Die Mittel, mit denen Julius Cäsar sich gegen Kränklichkeiten und
Kopfschmerz vertheidigte: ungeheure Märsche, einfachste Lebensweise, ununter-
brochner Aufenthalt im Freien, beständige Strapazen — das sind, in's Grosse
gerechnet, die Erhaltungs- und Schutz-Maassregeln überhaupt gegen die extreme
Verletzlichkeit jener subtilen und unter höchstem Druck arbeitenden Maschine,
welche Genie heisst.] Vgl. NL 1887/88, KSA 13, 11[79], 39 (KGW IX 7, W II 3, 165,
2-6), ferner NL 1888, KSA 13, 114[133], 317, 14-23, wo die Nichtvererbbarkeit
„der Schönheit, des Genies, des Caesar" behauptet und zugleich das „,Genie"'
als „zerbrechlichste", „sublimste Maschine" geschildert wird, ohne dass Diät-
regeln hier zur Stabilisierung aufgerufen würden. Die Quelle von 130, 19-26
nennt N. in seinem Brief vom 13. 02. 1888 an Heinrich Köselitz: „Ich fand bei
Plutarch, mit welchen Mitteln sich Cäsar gegen Kränklichkeit und Kopfschmerz
vertheidigte: ungeheure Märsche, einfache Lebensweise, ununterbrochner Auf-
enthalt im Freien, Strapazen..." (KSB 8, Nr. 991, S. 251, Z. 33-36) Gemeint sind
Plutarchs Vitae parallelae, die den römischen Politiker Gaius Julius Caesar mit
dem makedonischen König Alexander dem Großen zusammenstellen. N. besaß
eine deutsche Übersetzung der Werke Plutarchs, von der allerdings der Band
mit der Parallelbiographie Plutarchs und Caesars sich gerade nicht in seiner
Bibliothek erhalten hat (NPB 468).
Rettung der Gralsritterschaft, sondern um die Erholung des Publikums, das
über der Kunst die Lasten seines ökonomischen Daseins vergisst. Während die
Literatur der Wagnerianer, einschließlich N.s Geburt der Tragödie, Wagners
Gesamtwerk zu einer religiösen Erlösungstat stilisiert (exemplarisch Nohl o. J.,
119-121), desillusioniert N. später die Kunst — insbesondere diejenige Wag-
ners — als Unterhaltung und regenerativen Zeitvertreib. Es fällt auf, dass bei
N. das Motiv des reinen Toren trotz viel früherer Lektüre des Parsifal (1877, vgl.
NPB 642) in den publizierten Werken erst 1888, aber da gehäuft auftritt (vgl.
NK KSA 6, 34, 12 f.; 43, 23; 204, 18; 276, 10 f.; 304, 16 f.; im Nachlass scheint
der reine Tor schon früher präsent zu sein, vgl. NL 1885, KSA 11, 34[205], 491 =
KGW IX 1, N VII I, 47, 26-40-48, 2-45, falls die Datierung hier stimmt). Diese
Häufung dürfte mit der Lektüre von Nohl zusammenhängen, der auf die reine
Torheit bei seiner Rekapitulation des Parsifal besonderen Wert legt (Nohl o. J.
112, 114 u. ö.). Zur „reinen Thorheit" in N.s Spätwerk siehe auch Sommer
2000a, 323, Fn. 226.
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130, 19 Noch ein Problem der Diät.] Vgl. GD Die vier grossen Irrthümer
1, KSA 6, 88 f.
130, 19-26 Die Mittel, mit denen Julius Cäsar sich gegen Kränklichkeiten und
Kopfschmerz vertheidigte: ungeheure Märsche, einfachste Lebensweise, ununter-
brochner Aufenthalt im Freien, beständige Strapazen — das sind, in's Grosse
gerechnet, die Erhaltungs- und Schutz-Maassregeln überhaupt gegen die extreme
Verletzlichkeit jener subtilen und unter höchstem Druck arbeitenden Maschine,
welche Genie heisst.] Vgl. NL 1887/88, KSA 13, 11[79], 39 (KGW IX 7, W II 3, 165,
2-6), ferner NL 1888, KSA 13, 114[133], 317, 14-23, wo die Nichtvererbbarkeit
„der Schönheit, des Genies, des Caesar" behauptet und zugleich das „,Genie"'
als „zerbrechlichste", „sublimste Maschine" geschildert wird, ohne dass Diät-
regeln hier zur Stabilisierung aufgerufen würden. Die Quelle von 130, 19-26
nennt N. in seinem Brief vom 13. 02. 1888 an Heinrich Köselitz: „Ich fand bei
Plutarch, mit welchen Mitteln sich Cäsar gegen Kränklichkeit und Kopfschmerz
vertheidigte: ungeheure Märsche, einfache Lebensweise, ununterbrochner Auf-
enthalt im Freien, Strapazen..." (KSB 8, Nr. 991, S. 251, Z. 33-36) Gemeint sind
Plutarchs Vitae parallelae, die den römischen Politiker Gaius Julius Caesar mit
dem makedonischen König Alexander dem Großen zusammenstellen. N. besaß
eine deutsche Übersetzung der Werke Plutarchs, von der allerdings der Band
mit der Parallelbiographie Plutarchs und Caesars sich gerade nicht in seiner
Bibliothek erhalten hat (NPB 468).