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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0564
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Stellenkommentar GD Streifzüge, KSA 6, S. 149-150 545

achtet hätten, gehört zum bürgerlichen Gemeingut zu N.s Zeit, vgl. z. B. die
berühmte Goethe-Biographie von George Henry Lewes, dem Lebenspartner von
George Eliot (vgl. NK 113, 21-27), wo es heißt: „Das Diesseits war für die Grie-
chen, was das Jenseits für die Christen. Die griechische Kunst ist daher durch-
aus realistisch. Aber wer den Unterschied der griechischen von der christlichen
Kunst darin sucht, daß sie der Symbolik entbehre, begeht einen großen Irr-
thum. Sie hat ihre Symbolik, so voll und tief, wie die christliche, aber dieselbe
beruhte auf ganz verschiedenen Vorstellungen. Die Griechen ehrten den Men-
schenleib und strebten darnach, ihn vollendet darzustellen, weil sie so der
Natur, die ihnen göttlich war, am nächsten kamen. Die Christen dagegen ver-
achteten den Leib, glaubten die Natur in dem Sündenfall verwickelt und daher
unrein, von Gott entfremdet. [...] /199/ [...] Die Griechen sahen weniger auf die
Seele als auf den Leib, weniger auf den Ausdruck als auf die Form; für sie
waren das Gesicht und der Ausdruck darin nur einzelne Züge aus der allgemei-
nen Physiognomie des äußeren Menschen. Für die Christen war das Gesicht
die ganze Physiognomie, denn es war der Ausdruck der Seele. Ein vollkomme-
ner Mensch war das Ideal für jene, eine vollkommene Seele das Ideal für
diese." (Lewes 1860, 1, 198 f.).
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Vgl. die vorbereitende Notiz NL 1887, KSA 12, 9[116], 402 f. (KGW IX 6, W II 1,
51-52, 34-41), ferner KSA 12, 9[121], 406 f. (KGW IX 6, W II 1, 47 f.) zum Fort-
schritt zur Natürlichkeit. In diesem Abschnitt scheint N. den Glauben an die
Gestaltungs- und Durchsetzungskraft des großen Individuums aufrecht erhal-
ten zu wollen, während er in GD Streifzüge eines Unzeitgemässen 14, KSA 6,
120, 30-32 noch beklagt hatte, dass die vielen Schwachen stets über den Star-
ken Herr würden.
150, 2 Fortschritt in meinem Sinne.] Zu N.s Kritik am landläufigen
Fortschrittsbegriff vgl. auch NK 136, 13 f. Gerade auch der Krieg kann sich als
Mittel des Fortschreitens erweisen, siehe 57, 12-14 und Zibis 2007, 207.
150, 2-6 Auch ich rede von „Rückkehr zur Natur", obwohl es eigentlich nicht
ein Zurückgehn, sondern ein Hinaufkommen ist — hinauf in die hohe, freie,
selbst furchtbare Natur und Natürlichkeit, eine solche, die mit grossen Aufgaben
spielt, spielen darf...] Auf diese Äußerung und damit auf GD bezog sich 1928
der sozialistische Schriftsteller Friedrich Wolf zur Rechtfertigung seines eige-
nen Buches über Naturheilverfahren (Wolf 2003, 249, vgl. Claus 2001, 27). Die
„Grausamkeit der Natur" ist bei N. schon früh Thema, vgl. z. B: GT 7, KSA 1,
56, 19 f.
 
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