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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Contr.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,1): Kommentar zu Nietzsches "Der Fall Wagner", "Götzen-Dämmerung" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2012

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https://doi.org/10.11588/diglit.70913#0580
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Stellenkommentar GD Alten, KSA 6, S. 153-154 561

tung, er sei vorher der schlechteste Lateiner gewesen, stark übertrieben
erscheint". Hödl 2009, 188-193 trägt weitere Belege zu N.s schulischer Beschäf-
tigung mit Sallust zusammen und stellt überdies fest, dass diese Beschäftigung
tatsächlich zeitgleich mit N.s ersten Gehversuchen im Genre des Epigramms
erfolgte.
Das in 154, 12-19 ausgedrückte Urteil über Sallusts schriftstellerische
Fähigkeiten schließt sich ans zeitgenössische bildungsbürgerliche Gemeingut
an, vgl. Meyer 1885-1892, 14, 218: „Er strebte in Nacheiferung des Thukydides
hauptsächlich nach Kürze und Prägnanz des Ausdrucks". Sallust verdankt man
auch die einflussreiche Darstellung der Verschwörung des Catilina, vgl. NK
148, 10-14. Als Gewährsmann für den in den siebziger Jahren entwickelten
aphoristischen Stil taucht er sonst bei N. nicht auf, vgl. auch Cancik 2000, 155.
154, 14 meines verehrten Lehrers Corssen] Paul Wilhelm Corssen (1820-1875),
war von 1846 bis 1866 Lehrer in Schulpforta. Bei ihm hat N. nach Bohley
2007, 174 gelernt, „Christlichkeit kritisch zu sehen" und bei „jedem Angriff auf
irgendwelche ,geistigen Mächte' [...] mit aller Schärfe und doch nicht ohne Witz
vorzugehen". Anfang Oktober 1886 muss Corssen auf Betreiben des Ministeri-
ums wegen Trunksucht Schulpforta verlassen und den Lehrerberuf aufgeben
(CBT 155). N. ist damals sehr bemüht, Corssen vor hämischer Nachrede zu
schützen: „Ich bitte Dich Jedem, der Corssen kennt, zu sagen, daß er nicht
fortgeschickt worden ist, sondern daß man ihn sehr ungern fortgelassen
hat, wenigstens von Seiten des Pförtner Collegiums." (N. an Carl von Gersdorff,
11. 10. 1866, KSB 2, Nr. 523, S. 174, Z. 20-23).
154, 19-21 Man wird, bis in meinen Zarathustra hinein, eine sehr ernsthafte
Ambition nach römischem Stil, nach dem „aere perennius" im Stil bei mir
wiedererkennen.] Äußerungen wie diese haben sich in der Forschung Fragen
nach N.s Verhältnis zum Römertum angeschlossen, um ihn politisch zu verein-
nahmen. So argumentiert Baeumler 1931, 96, der N. zum germanischen Antipo-
den der romanischen Welt stilisiert, im Blick auf 154, 19-21: „Die Stelle wird
gänzlich mißverstanden, wenn man sie auf die Römer schlechthin bezieht: es
sind lediglich die Römer als schriftstellerische Muster gemeint, als Meister der
vornehmen Form, der vollkommenen literarischen Haltung." Und weiter: „Der
Gehalt seiner Lehre ist unrömisch, ja antirömisch". Gegen Baeumler verteidigt
Montinari 1982, 186 f. N.s römische Präferenz gerade auch in ihrer politischen
Dimension. Vgl. NK KSA 6, 255, 1 und Bett 2011.
154, 21 „aere perennius"] „Exegi monumentum aere perennius / regalique situ
pyramidum altius", schreibt Horaz (Carmina III 30, 1 f. „Ich habe ein Denkmal
errichtet, beständiger als Erz / höher als der königliche Sitz der Pyramiden")
und meint damit seine Dichtung, die alle Veränderungen überdauere. Während
 
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