Stellenkommentar GD Alten, KSA 6, S. 155 567
Erkennen ja als Erinnern an die Ideenschau während einer früheren Existenz.
Daran wiederum wurde N. bei der durch Markierung (NPB 301) ausgewiesenen
Lektüre von Höffding 1887, 451 erinnert: „Spencer's Theorie erinnert an Pla-
ton's mystische Lehre von der Erkenntnis als einer Erinnerung aus der Prä-
existenz."
Dass die griechische Philosophie sowohl in ihrer platonischen wie in ihrer
stoischen Ausprägung den Moralismus des Christentums vorweggenommen
habe, ist eine Auffassung, die N. durch die Lektüre von Simplikios' Commentar
zu Epiktetos Handbuch (1867) bestätigt fand, vgl. z. B. seinen Brief an Overbeck
vom 09. 01 1887: „Eben lese ich [...] den Commentar des Simplicius zu Epictet:
man hat in ihm das ganze philosophische Schema klar vor sich, auf
welches sich das Christenthum eingezeichnet hat: so daß dies Buch eines
,heidnischen' Philosophen den denkbar christlichsten Eindruck macht ([...])
Die Fälschung alles Thatsächlichen durch Moral steht da in vollster Pracht;
erbärmliche Psychologie; der Philosoph auf den ,Landpfarrer' reduzirt. — Und
an alledem ist Plato schuld! er bleibt das größte Malheur Europas!" (KSB
8, Nr. 790, S. 9, Z. 12-22, vgl. auch die Erläuterung in KGB III 7/3,1, S. 59 sowie
die Nachweise bei Brobjer 2003e). Vgl. zur Präexistenz — zunächst ein theologi-
scher Begriff: Die Präexistenz Christi, sein Leben vor seinem irdischen
Dasein —, insbesondere zur Präexistenz des Christentums NK KSA 6, 246, 18-
23 und Cancik / Cancik-Lindemaier 2001.
155, 31-156, 1 dass ich von dem ganzen Phänomen Plato eher das harte Wort
„höherer Schwindel" oder, wenn man's lieber hört, Idealismus — als irgend ein
andres gebrauchen möchte] Die Gleichsetzung von Idealismus und höherem
Schwindel findet sich auch in EH MA 5, KSA 6, 327, 4. Eine sehr scharfe Kritik
an Platons Idealismus hat N. bei Roberty 1887, 20 gelesen (Kursiviertes von N.
unterstrichen, beim ersten Satz am rechten Rand doppelte Anstreichung):
„cette theorie, connue plus tard sous le nom de realisme, donnait ä l'idee le
pas sur la chose, sur le fait d'observation. Les idees seules sont reelles ou du
moins suffisamment reelles pour etre le resultat final d'un effort digne de
l'esprit humain — tel est le point de depart de la philosophie platonicienne,
dont l'absurdite ou plutöt la grossiere erreur n'est qu'apparente, car ce point
de depart se trouve en relation intime avec les doctrines ulterieures, et notam-
ment avec la doctrine de la preeminence du sujet sur l'objet." („Diese Theorie,
später unter dem Namen Realismus bekannt, gab der Idee den Vorrang vor der
Sache, vor der Beobachtungstatsache. Einzig die Ideen sind real oder wenigsten
genug real, um das Endergebnis einer dem menschlichen Geist würdigen
Anstrengung zu sein — dies ist der Ausgangspunkt der platonischen Philoso-
phie, in welcher die Absurdität oder genauer der grobe Fehler nur zu offenkun-
dig ist, denn dieser Ausgangspunkt steht in einer engen Beziehung mit den
Erkennen ja als Erinnern an die Ideenschau während einer früheren Existenz.
Daran wiederum wurde N. bei der durch Markierung (NPB 301) ausgewiesenen
Lektüre von Höffding 1887, 451 erinnert: „Spencer's Theorie erinnert an Pla-
ton's mystische Lehre von der Erkenntnis als einer Erinnerung aus der Prä-
existenz."
Dass die griechische Philosophie sowohl in ihrer platonischen wie in ihrer
stoischen Ausprägung den Moralismus des Christentums vorweggenommen
habe, ist eine Auffassung, die N. durch die Lektüre von Simplikios' Commentar
zu Epiktetos Handbuch (1867) bestätigt fand, vgl. z. B. seinen Brief an Overbeck
vom 09. 01 1887: „Eben lese ich [...] den Commentar des Simplicius zu Epictet:
man hat in ihm das ganze philosophische Schema klar vor sich, auf
welches sich das Christenthum eingezeichnet hat: so daß dies Buch eines
,heidnischen' Philosophen den denkbar christlichsten Eindruck macht ([...])
Die Fälschung alles Thatsächlichen durch Moral steht da in vollster Pracht;
erbärmliche Psychologie; der Philosoph auf den ,Landpfarrer' reduzirt. — Und
an alledem ist Plato schuld! er bleibt das größte Malheur Europas!" (KSB
8, Nr. 790, S. 9, Z. 12-22, vgl. auch die Erläuterung in KGB III 7/3,1, S. 59 sowie
die Nachweise bei Brobjer 2003e). Vgl. zur Präexistenz — zunächst ein theologi-
scher Begriff: Die Präexistenz Christi, sein Leben vor seinem irdischen
Dasein —, insbesondere zur Präexistenz des Christentums NK KSA 6, 246, 18-
23 und Cancik / Cancik-Lindemaier 2001.
155, 31-156, 1 dass ich von dem ganzen Phänomen Plato eher das harte Wort
„höherer Schwindel" oder, wenn man's lieber hört, Idealismus — als irgend ein
andres gebrauchen möchte] Die Gleichsetzung von Idealismus und höherem
Schwindel findet sich auch in EH MA 5, KSA 6, 327, 4. Eine sehr scharfe Kritik
an Platons Idealismus hat N. bei Roberty 1887, 20 gelesen (Kursiviertes von N.
unterstrichen, beim ersten Satz am rechten Rand doppelte Anstreichung):
„cette theorie, connue plus tard sous le nom de realisme, donnait ä l'idee le
pas sur la chose, sur le fait d'observation. Les idees seules sont reelles ou du
moins suffisamment reelles pour etre le resultat final d'un effort digne de
l'esprit humain — tel est le point de depart de la philosophie platonicienne,
dont l'absurdite ou plutöt la grossiere erreur n'est qu'apparente, car ce point
de depart se trouve en relation intime avec les doctrines ulterieures, et notam-
ment avec la doctrine de la preeminence du sujet sur l'objet." („Diese Theorie,
später unter dem Namen Realismus bekannt, gab der Idee den Vorrang vor der
Sache, vor der Beobachtungstatsache. Einzig die Ideen sind real oder wenigsten
genug real, um das Endergebnis einer dem menschlichen Geist würdigen
Anstrengung zu sein — dies ist der Ausgangspunkt der platonischen Philoso-
phie, in welcher die Absurdität oder genauer der grobe Fehler nur zu offenkun-
dig ist, denn dieser Ausgangspunkt steht in einer engen Beziehung mit den