Neue Untersuchungen über flüssige Kristalle (I. Teil). 37
Naturgemäß wird die Entstehung der Fäden begünstigt durch
Zusatz eines fremden löslichen Stoffes, z. B. von Piperin. Dann
aber wird auch die Bildung von Kristalltropfen begünstigt, in
deren Symmetrieachsen (ganz wie in den Achsen der bikonischen
Störungen, vgl. S. 23) fremde Stoffe sich ebenfalls mit Leichtig-
keit ansammeln, so daß sie meist als dünne Röhren erscheinen.
Auch diese Symmetrieachsen erscheinen in der anisotropen
Flüssigkeit als Fäden, doch nicht einfach als dünne schwarze
Linien, sondern umgeben von Schlieren infolge der Licht-
brechung in dem gestörten Gebiet, in welchem die Moleküle
ringsherum in konzentrischen Kreisen angeordnet sind. Steht
eine solche Symmetrieachse senkrecht, so erscheint sie ganz
wie bei Kristalltropfen als von einem Hof umgebener Kernpunkt.
Steht sie schief oder quer zur Sehrichtung, so erscheint sie als
von einer Schliere (bande von G. FRiEDEL und F. GRANDJEAN)
umgebener Faden, der gewöhnlich von einer Grenzlinie zweier
Felder ausgeht und an einem andern Punkt derselben Grenzlinie
oder einer andern endigt (Fig. 81). Tatsächlich endigt er an
der an dieser Grenzlinie befindlichen Fadenobertläche, und da
sich der Faden auch von der Grenzlinie trennen und die Flüssig-
keit frei durchziehen kann, findet man solche Symmetrieachsen
häufig auch zwischen freien Fäden gespannt, wie Fig. 82 an-
deutet. Infolge der Lichtbrechung der Schliere ist der Faden
scheinbar an der Stelle, wo die Symmetrieachse einmündet, unter-
brochen, wie wenn die Fadenenden sich rechtwinklig umbiegen
und parallel verlaufend durch die Schliere hindurchziehen würden.
Tatsächlich ist die Störung an solchen Stellen nicht mehr sym-
metrisch-zylindrisch, sondern elliptisch-zylindrisch, denn stellt
man durch Drehen der Kapillare das Präparat so, daß die Fäden
senkrecht stehen, so erscheint die Schliere nur schmal (Fig. 84),
breit dagegen bei Drehung um 90° (Fig. 83). Die optischen
Eigenschaften dieser Schlieren stimmen natürlich ganz überein
mit denjenigen der Schlieren bei Kristalltropfen, lassen sich aber
leichter untersuchen als die der letzteren. Völlige Aufklärung
wird erst möglich sein, wenn genau erkannt ist, welche Art der
Molekularanordnung bedingt, daß nicht gleichgültig ist, ob das
polarisierende Prisma unter oder über dem Präparat einge-
schaltet wird.s2)
52) 0. LEHMANN, <7. P&7/S. 666, 1900.
Naturgemäß wird die Entstehung der Fäden begünstigt durch
Zusatz eines fremden löslichen Stoffes, z. B. von Piperin. Dann
aber wird auch die Bildung von Kristalltropfen begünstigt, in
deren Symmetrieachsen (ganz wie in den Achsen der bikonischen
Störungen, vgl. S. 23) fremde Stoffe sich ebenfalls mit Leichtig-
keit ansammeln, so daß sie meist als dünne Röhren erscheinen.
Auch diese Symmetrieachsen erscheinen in der anisotropen
Flüssigkeit als Fäden, doch nicht einfach als dünne schwarze
Linien, sondern umgeben von Schlieren infolge der Licht-
brechung in dem gestörten Gebiet, in welchem die Moleküle
ringsherum in konzentrischen Kreisen angeordnet sind. Steht
eine solche Symmetrieachse senkrecht, so erscheint sie ganz
wie bei Kristalltropfen als von einem Hof umgebener Kernpunkt.
Steht sie schief oder quer zur Sehrichtung, so erscheint sie als
von einer Schliere (bande von G. FRiEDEL und F. GRANDJEAN)
umgebener Faden, der gewöhnlich von einer Grenzlinie zweier
Felder ausgeht und an einem andern Punkt derselben Grenzlinie
oder einer andern endigt (Fig. 81). Tatsächlich endigt er an
der an dieser Grenzlinie befindlichen Fadenobertläche, und da
sich der Faden auch von der Grenzlinie trennen und die Flüssig-
keit frei durchziehen kann, findet man solche Symmetrieachsen
häufig auch zwischen freien Fäden gespannt, wie Fig. 82 an-
deutet. Infolge der Lichtbrechung der Schliere ist der Faden
scheinbar an der Stelle, wo die Symmetrieachse einmündet, unter-
brochen, wie wenn die Fadenenden sich rechtwinklig umbiegen
und parallel verlaufend durch die Schliere hindurchziehen würden.
Tatsächlich ist die Störung an solchen Stellen nicht mehr sym-
metrisch-zylindrisch, sondern elliptisch-zylindrisch, denn stellt
man durch Drehen der Kapillare das Präparat so, daß die Fäden
senkrecht stehen, so erscheint die Schliere nur schmal (Fig. 84),
breit dagegen bei Drehung um 90° (Fig. 83). Die optischen
Eigenschaften dieser Schlieren stimmen natürlich ganz überein
mit denjenigen der Schlieren bei Kristalltropfen, lassen sich aber
leichter untersuchen als die der letzteren. Völlige Aufklärung
wird erst möglich sein, wenn genau erkannt ist, welche Art der
Molekularanordnung bedingt, daß nicht gleichgültig ist, ob das
polarisierende Prisma unter oder über dem Präparat einge-
schaltet wird.s2)
52) 0. LEHMANN, <7. P&7/S. 666, 1900.