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Lehmann, Otto:; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Klasse: Abteilung A, Mathematisch-physikalische Wissenschaften (1911, 22. Abhandlung): Neue Untersuchungen über flüssige Kristalle, 1 — Heidelberg, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.37294#0041
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Neue Untersuchungen über Aussige Kristalle (I. Teil).

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Strömungsvorgang automatische Wiederherstellung der Aniso-
tropie eintritt. Die einfachste Annahme über die Beschaffenheit
der Materie ist jedenfalls die, sie erfülle den Raum kontinuierlich.
Diese wird man so lange beibehalten müssen, bis sich Schwierig-
keiten ergeben, zu deren Überwindung sie nicht zureichtW) Eine
sehr wesentliche Schwierigkeit dieser Art ist das hier in Betracht
kommende mechanische Verhalten der flüssigen Kristalle. Man
denke sich einen unendlich ausgedehnten flüssigen Kristall,
welcher eine homogene anisotrope Flüssigkeit darstellt. Er sei
im Unendlichen fest und werde durch eine anhaftende gerade
Achse von rundem Querschnitt bordiert. Zur Veranschaulichung
der Deformation denke man ihn in würfelförmige Elemente zer-
teilt, deren eine Kante parallel der Achse ist.sQ Es gibt wahr-
scheinlich flüssige Kristalle, deren mechanische Anisotropie derart
beträchtlich ist, daß sie in einer Richtung fest erscheinen, d. h.
eine endliche Elastizitätsgrenze besitzen, während diese in der
Richtung senkrecht dazu Null ist, so daß mindestens in dieser
Richtung der Kristall als flüssig bezeichnet werden muß.c°) Wäre
etwa in der erwähnten Figur die horizontale Richtung die des
festen Zustandes, so würde hier die kristallinische Masse mit-
rotieren, wie wenn sie eine an der Achse fest angebrachte Quer-
stange wäre, deren Enden in großer Entfernung aber befestigt
sind, so daß sie sich nach Überschreiten der Elastizitätsgrenze
plastisch verbiegen muß. In der dazu senkrechten Richtung wird
ein solcher Widerstand nicht auftreten. Hieraus ergibt sich eine
Änderung des Verlaufs der Deformationslinien. Immerhin wird
selbst in diesem extremen Fall der Effekt der sein, daß sich die
ursprünglichen Quadrate immer mehr in die Länge ziehen und
die so entstehenden Fäden sich gewissermaßen auf die rotierende
58) In meinem Buche Leipzig, W. Engelmmm,
1888/89, 2 Bde., dessen Inhalt sich hauptsächlich auf eigene Beobachtungen
stützt, habe ich deshalb die Beiziehung der Molekularhypothese vollkommen
vermieden. Erst in einem kleinen, völlig getrennten Schlußkapitel in Bd. II,
3401L, sind Molekulartheorien erwähnt. Sodann habe ich in der ,,A'uGrr",
1889, Nr. 32, darauf aufmerksam gemacht, daß bei gewissen Erscheinungen
die Beiziehung der Molekularhypothese als Gleichnis nicht vermieden werden
kann, weil sonst schon die Beschreibung der Tatsachen unendlich viele neue
Worte erfordern würde.
53) Vgl. Fmcns pAygür. TccArüA, 7. Auf!., Bd. II (2), S. 1318, l'ig. 2495.
Diese Figur zeigt die Deformation, wie sie eintreten würde, wenn die Flüssig-
keit nicht anisotrop, sondern eine gewöhnliche Flüssigkeit wäre.
8°) 0. LEHMANN, Üe&g7?ü<?% AWsfaüe, S. 68, Anm. 1.
 
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