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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 18. Abhandlung): Logische Studien über Entwicklung, 2 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37695#0034
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Hans Driesch:

labilen Gleichgewichts wegen „unendlich“ klein sein, kann wieder-
um Bewegung, als neue Bewegung schaffen und wird das in durch-
aus determinierter Weise tun. „Unendlich klein“ ist nicht „Null“!
Es zeigt sich hier recht deutlich, daß Naturwissenschaft die
Mathematik nur als Hilfsmittel gebrauchen, aber nicht in sie auf-
gehen darf1. Die Begriffe Ursache, Kraft, Trägheit usw. sind für die
Naturtheorie unbedingt notwendig, neben aller Mathematik;
jene Begriffe selbst aber sind ihrer eigentlichen Bedeutung nach
nicht mathematisierbar, obschon sie sich, wenn es sich um quan-
titative Bestimmtheiten handelt, mit Mathematischem verketten
können. Denn sie selbst als solche sind eben keine Begriffe aus dem
Reiche des Soviel. Es ist sehr kennzeichnend für Boussinesqs
Auffassung und erklärt, wie ich glaube, das ganze hier vorliegende
Mißverständnis, daß er glaubt gegen einen mehr als mathematischen
Sinn der Begriffe „force et inertie“ polemisieren zu müssen (S. 124
a. a. 0.). Er polemisiert gegen ihn, weil er Mechanik nur als Mathe-
matik kennt. Aber sie ist anderes; und „Kraft“ im eigentlich
logischen Sinne ist nicht das Produkt von Masse und Beschleu-
d2 3s
nigung (m • ), sondern diejenige vorausgehende und eine Masse

betreffende Veränderung, welche einer Masse m die Beschleu-
d2s
nigung - — erteilt. Man muß also in der Tat beim Begriffe
Qu“*
„Kraft“ fordern „qu’il y ait une anteriorite, tout au moins logi-
que, .... de la force par rapport ä Facceleration qu’elle est causee
produire“, also gerade das, was unser Autor bekämpft2; und eine
solche „anteriorite“ der Kraft muß man als etwas Neues, neu
Hinzutretendes fordern, wenn die Geschwindigkeit irgend eines
Körpers irgendwo und irgendwann „actuellement nulle“ ist, wie in
unserem Beispiel. „Les Solutions singulieres cherchees corres-
pondent aux positions d’equilibre oü le mobile arrive sans vitesseuz.
„Sans vitesse“, darauf kommt es an; und wenn das „sans vitesse“
einmal realisiert ist, so ist es ganz gleichgültig, woher es stammt;
in jedem Falle kann eine neu erworbene Geschwindigkeit, welche
ja doch eine neu ein tretende Veränderung ist, nur aus einer anderen
im Sinne einer „anteriorite“ eingetretenen Veränderung hergeleitet
werden.

1 Vgl. Ordnungslehre S. 213 ff.
2 Boussinesq a. a. O. S. 124.
3 Ebenda S. 70; der Gursivdruck von mir.
 
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