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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 18. Abhandlung): Logische Studien über Entwicklung, 2 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37695#0016
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16

Hans Driesch:

f:

Der Organismus löst also die gegebene Aufgabe in der a priori
denkbaren Form.
Es ist mir brieflich zum Ausdruck gebracht worden, daß meine Defi-
nition von „Entwicklung überhaupt“, als einem Mannigfaltigerwerden eines
sich verändernden Systems, unzureichend sei, und zwar deshalb, weil es so-
wohl ontogenetisch wie phylogenetisch Rückbildungen oder „Involu-
tionen“ gebe.
Ich bemerke dazu vor allem, daß meine Definition von „Entwicklung
überhaupt“ ausdrücklich als vorläufige Eingangsleistung bezeichnet worden
ist, und daß sie nur auf den Vergleich zwischen Ausgangs- und Endzustand
des sich Entwickelnden geht. In diesem Sinne bleibt sie nun trotz aller In-
volutionen (z. B. bei Parasiten) als richtig bestehen, denn auch ein Wesen,
das im Laufe der Ontogenie (und damit zugleich der Phylogenie) Rückbil-
dungen erfuhr, ist „mannigfaltiger“ als das Ei (bezw.: als die als primitivste
denkbaren Organismenformen).
Daß „Reduktionen“ eine wichtige Rolle im morphogenetischen Ver-
laufe spielen, leugne ich nicht nur nicht, sondern ich habe sogar in der Zeit
meines experimental-morphologischen Arbeitens besonders wichtige Fälle der-
selben selbst entdeckt1, und zwar analytisch-experimental entdeckt.
Reduktion ist stets eine Phase in einem zusammengesetzten Entwick-
lungsverlauf. Weshalb diese Phase sein muß, weshalb das anfangs gebildete
höher-mannigfaltige Stadium, welches dann wieder verschwindet, transi-
torisch dasein muß und nicht ausgeschaltet, d. h. übersprungen wird,
wissen wir nicht.
Hier wäre auch dessen zu gedenken, was Haeckel, im Verfolg der
Forschungen von C. E. v. Baer und F. Müller „biogenetisches Grundgesetz“
oder ontogenetisches Gesetz der (phylogenetischen) Rekapitulation genannt
hat. Eine Ontologie dieser Dinge wäre sehr erwünscht. Sie würde unter
anderem die Frage zu erörtern haben: Was heißt „Kürzester Weg“ im Gebiet
des Entwicklungshaften und inwiefern tritt das Postulat des „kürzesten“
Weges mit anderen ontologischen Kennzeichnungen von Entwicklung in
Konkurrenz ? Auch der Begriff des Typus und seiner Abwandlungen wäre
heranzuziehen (z. B. die so oft erörterte Sachlage, daß die Embryonen aller
Wirbeltiergruppen auf einem gewissen frühen Stadium einander ihrem Bau
nach so außerordentlich ähnlich sind).
II. Zum Problem der amechanischen Kausalität.
In diesem Abschnitt soll nicht „Entwicklung“ eigentlich als
solche, sondern sollen die einzelnen eine Entwicklung verwirk-
lichenden Werdeschritte in ihrem Eingereihtsein in das.Kausal-
getriebe der empirischen Natur überhaupt studiert werden.
1 Arch. f. Entwicklungsmechanik V, 1897, S. 389; IX, 1899, S. 103;
XIV, 1902, S. 532; XXVI, 1908, S. 119 (Tubularia) und XIV, 1902, S. 247
(Clavellina).
 
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