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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 18. Abhandlung): Logische Studien über Entwicklung, 2 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37695#0038
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38

Hans Driesch:

Organismen oder Organismenteile harmonisch-äquipotentielle Sy-
steme sein (Clavellina, Tubularia, Planaria usw.).
c) Das biologische harmonisch-äquipotentielle System.
Das harmonisch-äquipotentielle System als Objekt der Biologie
ist eine lebende summen hafte Gesamtheit gleichartiger minder-
stufig zusammengesetzter Elemente (bei Metazoen: Zellen), von
welcher jede beliebige Teilgesamtheit, welche eine gewisse
Minimalzahl der Elemente (wohl x/4 der Originalzahl) nicht unter-
schreitet, imstande ist, dem Wesen nach dasselbe hochstufig zu-
sammengesetzte lebende Ganzheitsgebilde (den erwachsenen Or-
ganismus mit seinen ,,Organen“ als nächsten Untergebilden), in
proportional typischer Weise herzustellen. Eine summenhafte
minderstufige Gesamtheit als Träger von Möglichkeiten geht hier
also in jedem beliebigen Falle experimenteller Zerteilung in jeweils
eine ganzheitliche höherstufige Gesamtheit des Wirklichen über1.
Erläuterungen: 1. Daß eine Gesamtheit summenhalt sei,
soll heißen, daß es an ihrem Wesen nichts ausmacht, aus welchen
und aus wievielen Teilen sie besteht: Entnahme von Teilen ändert
ihr Wesen nicht.
2. Daß eine Gesamtheit ganzheitlich sei, soll heißen, daß jeder
ihrer Teile konstitutiv für ihr Wesen ist.
3. Als einziger ganzheitlicher Zug eines harmonisch-äquipoten-
tiellen Systems muß, des Postulates der Eindeutigkeit wegen, eine
bilateral-symmetrische Richtungsorganisation in ihm angenommen
werden; gleich, als trüge das System ein dreidimensionales Koor-
dinatensystem in sich2.
4. Wesen ist das begriffliche Sosem eines Etwas.
d) Das abstrakte harmonisch-äquipotentielle System.
Gedacht werden kann der Begriff des harmonisch-äquipoten-
tiellen Systems in zwei Formen.
1 Durch diese Definition wird der in der Polemik gegen meine Lehre
so häufig auftretende Gedanke ausgeschaltet, daß doch auch eine Ölkugel
oder ein Wassertropfen ein „harmonisch-äquipotentielles System“ sei, da
diese Gebilde nach Entnahme von Teilen immer wieder Kugelform annehmen.
Ölkugeln und Wassertropfen sind eben keine „ganzheitlichen hochstufigen
Gesamtheiten“, die aus „summenhaften minderstufigen Gesamtheiten“ ent-
stehen.
2 Phil. d. Org. I. S. 65 ff.
 
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