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Driesch, Hans; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 18. Abhandlung): Logische Studien über Entwicklung, 2 — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37695#0040
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Hans Driesch:

Wenn wir uns auf die Betrachtung der tierischen Ontogenese
beschränken (bei Pflanzen liegen die Dinge wesentlich einfacher und
durchsichtiger), so dürfen wir sagen, daß Formbildung
erstens als eine Abfolge verschiedener Stadien oder Phasen
geschieht, und daß
zweitens1 die frühere Phase als Ganzes jeweils in die
spätere als Ganzes hinein verschwindet (was hei Pflanzen,
mit Ausnahme der allerersten Stadien, nicht der Fall ist; hier
setzen sich vielmehr die neu entstehenden Bildungen den alten,
welche als solche erhalten bleiben, an). So verschwindet jedes
Furchungsstadium in das folgende hinein, die Gastrula der Echino-
dermen verschwindet in die Larve hinein usw.
Es folgt hieraus, daß das Verhältnis zwischen Anfangsmaschine
und Endmaschine bei der tierischen Formbildung auf keinen Fall
so gedacht werden kann, daß da eine Maschine A als Anfangs-
maschine eine Maschine B als Endmaschine gewissermaßen
,,neben“ sich hinstellt, wie das bei maschinenproduzierenden künst-
lichen Maschinen der Fall ist (und wie es hei pflanzlichen Spros-
sungen und auch bei der tierischen echten „Regeneration“ durch
Sprossung vielleicht ohne nähere Prüfung als möglich angenom-
men werden könnte).
Steht aber nicht die Endmaschine neben der Anfangsmaschine,
sondern wäre, wenn anders es sich überhaupt um eine Anfangs-
„maschine“ handelt, diese jedenfalls in die Endmaschine in irgend
einer Form übergegangen, dann sind der möglichen Fälle einer
maschinellen Auffassung der Morphogenese nur diese zwei (vgl.
oben S. 5).
Entweder: Die Anfangsmaschine wird zur Endmaschine,
derart, daß im Laufe des Geschehens alle Teile der Anfangsmaschine
nur einen Wechsel der Lage durchgemacht haben. Die Anfangs-
maschine A wäre in diesem Falle ein „System“ bestimmter mate-
rieller Teile und die Endmaschine B wäre ein anderes „System“
derselben (und vielleicht noch anderer, aus dem Medium heran-
gezogener) Teile. Alles wäre LJmformung Eines und Desselben
und nicht im eigentlichen Sinne die Produktion einer Maschine
von einer anderen aus.
Oder: Im Ausgangsstadium ist der eine Teil der Materie
Maschine, wir nennen sie A; der andere ist Material; durch die

1 Phil. d. Org. I, S. 47 f.
 
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