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Koch, Hugo; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 22. Abhandlung): Kallist und Tertullian: ein Beitrag zur Geschichte der altchristlichen Bußstreitigkeiten und des römischen Primats — Heidelberg, 1920

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https://doi.org/10.11588/diglit.37699#0019
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Kallist und Tertullian.

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hat und die inhaltlich und zeitlich in die Nähe von De paenitentia
gerückt wird. De patientia c. 5 behandelt nämlich Tertullian die
„contraria boni“, die der impatientia entspringenden „principalia
penes dominum delicta“. Welche aber diese sind, verrät er dadurch,
daß er zuerst vom homicidium, dann vom adulterium (und der
venditio pudicitiae) und schließlich vom Götzendienst der Israeliten
in der Wüste spricht, und die Einleitung dieser dritten Versün-
digung — mit dem Satze: „An non ipsum quoque Israel per im-
patientiam semper in Deum deliquisse manifestum est ?“ —
läßt auch die beiden andern Hauptsünden als delicta in Deum
erscheinen. Wir sehen aus dieser merkwürdigerweise in ihrer Be-
deutüng nicht gewerteten Stelle, daß die drei Hauptsünden: Mord,
Unzucht und Götzendienst und der Begriff eines delinquere in
Deum zur katholischen Gedankenwelt gehören und nicht
erst in De pudicitia auftauchen1.
Nun ändert Tertullian allerdings im Apostelerlaß die Reihen-
folge und gibt, um die Sache eindrücklicher zu gestalten, der
Unzucht den „Ehrenplatz“ zwischen Götzendienst und Mord. Er
hält aber damit, was Esser entgangen ist2, lediglich die Reihen-
folge ein, die Jakobus in seinem Vermittlungsantrag, aus dem der
1 Wie Otto Zöckler (Das Lehrstück von den sieben Hauptsünden,
1893, S. 8) aus De pat. 5 eine Sechszahl von Hauptsünden gewinnt, verstehe
ich nicht. Vielmehr treten die drei genannten ganz deutlich hervor. —- Nova-
tian schreibt in seiner kirchlichen Zeit, De trinit. c. 14 (ed. Fausset, 1909,
47, 3): Si homo tantummodo Christus, cur non licet Christum sine exitio
animae negari, cum in hominem commissum delictum referatur posse
dimitti? Und Cyprian, Test. 111,28: Non posse in ecclesia remitti ei qui
in Deum deliquerit, De laps. c. 17: homo Deo major non potest esse,
nec remitiere aut donare indu’gentia sua servus potest, quod in Dominum
delicto graviore commissum est; De laps. 16 (Härtel 248, 24), De hab.
virg. 11 (195,15). Ep. 17, 2 (522, 8). 64,5 (720,17). 73,18 (792,11). Es
ist aber so unwahrscheinlich wie möglich, daß der katholische römische
Priester und der katholische Bischof von Karthago mit der Unterscheidung
von delicta in Deum und delicta in hominem dem Montanismus sollten
Gefolgschaft geleistet haben. Auch de aleat. c. 10 heißt es: Quod delicti
in Deum nulla fit excusatio nec indulgentia ulla et nemini venia datur,
und die Herkunft dieser Schrift aus einer schismatischen Gemeinde ist zum
mindesten nicht wahrscheinlicher als die aus kirchlichen Kirchen.
2 In der neuesten Übersetzung tertullianischer Schriften von Kellner,
herausgegeben von Esser (Bibi. d. Kirchenväter, Bd. 24), 1915, 418 A. 2
steht die, wie es scheint, von Kellner stammende Bemerkung: „Vielleicht
hat Tertullian an die Rede des Jakobus gedacht (AG. 15, 20) und diese für
seine Argumentation benutzt.“
 
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