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Immisch, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1919, 7. Abhandlung): Agatharchidea — Heidelberg, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.37684#0042
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42

Otto Immisch:

der Sallustiana, deren nachweislich posidonische Gedanken wieder
darauf hinweisen, daß sich gewiß auch bei Posidonius ähnliche
Eingänge fanden. Diese waren dann vermutlich von stärkerer
Wirkung. Wir dürfen bei ihnen den hier vorliegenden Eklektizis-
mus vervollständigt und abgerundet uns vorstellen. Das Religiös-
weltanschauliche war dem Geist der Zeit und des Posidonius ent-
sprechend noch weiter fortgeschritten, vermutlich auch die Form
rhetorisch noch höher gesteigert und ins Breite wirkungsvoll.
Freilich, ob der eklektische Stoiker auch soviel ernsthafte und
schlichte Sachlichkeit besaß, oh er soviel noch vom Hauche des
älteren griechischen Wissenschaftsgeistes Berührtes zu bieten
hatte wie der soviel bescheidenere Kopf des eklektischen Peri-
patetikers, ist mir zweifelhaft1.
* *
*

1 Oben S. 10 war schon der Abhängigkeit des Posidonius von Agathar-
chides bei Gelegenheit der Schilderung des spanischen Bergarbeiterelends
gedacht. ποθεινότερον έχουσι του βίου τον θάνατον sagte Agatharchides,
αίρετώτερος γάρ αύτοΐς 6 θάνατός έστι του ζην διά τό μέγεθος τής ταλαι-
πωρίας Posidonius nach Diodor 5, 38, 1. Die Abhängigkeit erkannte schon
Müller FHG 3, 273 GGM 1, 124; vgl. Leopoldi 30f., Rudberg a. a. O.
6, 15, 81. Ein gemeinsames AAirbild mag Demetrius der Phalereer
geboten haben (Ath. 6, 233 e). Also schlecht und recht rhetorische
Konkurren zarbeit, jene εξεργασία των ήδη τοΐς παλαιοΐς έξειργασμένων,
wovon die Progymnasmen reden (Theo p. 72 Sp.), nur aus der Schul-
übung ins Literarisch-anspruchsvolle erhoben. Eine wirklich große
Seele wie Tacitus lehnt sich auf gegen solches in comparationem
cw'ae ingeniive rejerre (Agr. 10): Posidonius schwelgt darin, ούκ άπέχεται
τής συνήθους ρητορείας, άλλα συνενθουσια ταΐς ύπερβολαΐς sagt gerade
von dieser Bergwerksschilderung Strabo 3, 147. Manchmal war er selbst
dem Cicero zu kraß (Off. 1, 159). Ein Rhetor ist kein großer Mann.
Für Agatharchides, der ja neben der άληθινή ιστορία die παράδοξος
ύπόθεσις ganz unbefangen gelten läßt, wird niemand diesen Titel bean-
spruchen, aber der Rhetor Posidonius soll durchaus ein Geistesfürst Leib-
nizischen Stiles sein. Den kann ich nirgends entdecken, bestenfalls neben
dem Rhetor den schmiegsamen Anempfinder, den wirkungsvollen Ausdeuter
mehr des Weltgefühls als der AVeltanschauung seiner Zeit und den gewandten
Klügling. Ein großer Mann und baumeisterlicher Geist sieht anders aus.
Und wieviele Torheiten laufen unter! Der berühmte Timäuskommentar, den
unsere Pamposidonisten so inbrünstig verehren, brachte es fertig ψυχή πάσα
αθάνατος (Phädr. 245 C) mit einer sprachlichen Ungeheuerlichkeit von der Welt-
seele zu verstehen (Hermias 102, 13 Couvr. vgl. v. Wilamowitz Platon 2, 362).
Über den ,,deisidämonischen Dunst“ des Geschichtswerks, „der an die Manier
der γραοσυλλέκτρια erinnert“, und über die wirklich etwas dunkelmännische
Apologetik, mit der die Mantik von dem „sonst so trefflichen Philosophen“
 
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