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Otto Immisch:
σοφιζομένη ταΐς δόξαις την ψύσιν (die δόξα ist, wie mit zu beachten,
nach dem Anonymus 440 b 31 weder zu dem zu zählen, was uns
mit den άλογα, noch zu dem, was uns mit den Göttern gemein-
sam ist, Ι'διον ήμων μόνον ή δόξα). Zu vergleichen ist auch der
Gegensatz im τέλος 458 b 15 ff.: indem sie den Menschen Übles
in das Gute einmischt, will die Tyche erziehlich wirken und vor
der Hybris bewahren, όπως μηδείς εις τέλος έξυβρίζων τιτα-
νώδες καί κατεγνονκός του θείου τό φρόνημα λαμβάνη. Also
das θειον als Ziel und Richtung im Naturgeschehen, wie im sitt-
lichen Handeln als der oberste Wert ist offenbar agatharchideisch:
mithin sind auch die drei τρόπο!, des όμοιοΰσθαι θεώ und der
θεία μίμησις, die der Anonymus § 5 aufzählt, ganz in seinem Geiste.
Dabei ist bemerkenswert vor allem der dritte: εν τώ αποθνήσκει.
Hier treten deutlich die pythagoreisch-platonischen Vorstellungen
von der Leibeshaft der Seele zutage und die Jenseitssehnsucht
dieser Denkrichtung, für die das Leben schließlich zur μελέτη
θανάτου wird. Doch was dabei über die mantische Erhöhung des
Seelenlebens in Traum und Ekstase gesagt ist, kann anderseits auch
der Peripatetiker verantworten; vgl. außer dem Dialog Eudemus
die Schrift π. τής καθ’ ύπνον μαντ. 464 a 24 (ένίους των εκστα-
τικών προοράν) und Sextus adv. phys. 1, 21. Für die Zeit und
Richtung des Verfassers ist es bezeichnend, daß gerade an dieser
Stelle, wo sie recht eigentlich ihren Platz hätte, noch keine Spur
ist von jener anderen Ekstase, mit der begnadigt zu werden die
spätere Mystik so heiß erstrebt, das verzückte Schauen, den mysti-
schen Anstieg zur Nähe der Gottheit selber. Hier ist durchaus
nur von natürlichen Psychosen die Rede, aber der Ansatz zu
der späteren Wertung ist, wie zu erwarten allerdings schon da;
das vorübergehende χο:>ρίζεσθαι ist wie ein Schritt auf der οδός
θεία zum βελτίω έαυτοΰ γίγνεσθαι. — Bedeutsam für die Wendung
dieser vor-neupvthagoreischen Philosophie ins Religiöse ist aber
auch der erste τρόπος mit seiner hohen Wertung gottesdienstlicher
Weihe und (man kann den Ausdruck wohl schon brauchen) zur
Erbauung. Auf Pythagoras führt den Gedanken mit wörtlichem
Anklang Plutarch zurück, def. or. 7, 413 B: Πυθαγόραν είπόντα
βέλτιστους εαυτών γίγνεσθαι τούς ανθρώπους, όταν προς τούς θεούς
βαδίζωσιν (ähnlich de superst. 9, 169Ε). Wieder sieht man in die
noch schlichteren Anfänge einer bei den späteren (wie Porphyrius
und Hierocles) in allen Metaphern religiöser Rede schwelgenden
Frömmigkeit hinein; vgl. Norden, Agn. Theos 345. Und wunder-
Otto Immisch:
σοφιζομένη ταΐς δόξαις την ψύσιν (die δόξα ist, wie mit zu beachten,
nach dem Anonymus 440 b 31 weder zu dem zu zählen, was uns
mit den άλογα, noch zu dem, was uns mit den Göttern gemein-
sam ist, Ι'διον ήμων μόνον ή δόξα). Zu vergleichen ist auch der
Gegensatz im τέλος 458 b 15 ff.: indem sie den Menschen Übles
in das Gute einmischt, will die Tyche erziehlich wirken und vor
der Hybris bewahren, όπως μηδείς εις τέλος έξυβρίζων τιτα-
νώδες καί κατεγνονκός του θείου τό φρόνημα λαμβάνη. Also
das θειον als Ziel und Richtung im Naturgeschehen, wie im sitt-
lichen Handeln als der oberste Wert ist offenbar agatharchideisch:
mithin sind auch die drei τρόπο!, des όμοιοΰσθαι θεώ und der
θεία μίμησις, die der Anonymus § 5 aufzählt, ganz in seinem Geiste.
Dabei ist bemerkenswert vor allem der dritte: εν τώ αποθνήσκει.
Hier treten deutlich die pythagoreisch-platonischen Vorstellungen
von der Leibeshaft der Seele zutage und die Jenseitssehnsucht
dieser Denkrichtung, für die das Leben schließlich zur μελέτη
θανάτου wird. Doch was dabei über die mantische Erhöhung des
Seelenlebens in Traum und Ekstase gesagt ist, kann anderseits auch
der Peripatetiker verantworten; vgl. außer dem Dialog Eudemus
die Schrift π. τής καθ’ ύπνον μαντ. 464 a 24 (ένίους των εκστα-
τικών προοράν) und Sextus adv. phys. 1, 21. Für die Zeit und
Richtung des Verfassers ist es bezeichnend, daß gerade an dieser
Stelle, wo sie recht eigentlich ihren Platz hätte, noch keine Spur
ist von jener anderen Ekstase, mit der begnadigt zu werden die
spätere Mystik so heiß erstrebt, das verzückte Schauen, den mysti-
schen Anstieg zur Nähe der Gottheit selber. Hier ist durchaus
nur von natürlichen Psychosen die Rede, aber der Ansatz zu
der späteren Wertung ist, wie zu erwarten allerdings schon da;
das vorübergehende χο:>ρίζεσθαι ist wie ein Schritt auf der οδός
θεία zum βελτίω έαυτοΰ γίγνεσθαι. — Bedeutsam für die Wendung
dieser vor-neupvthagoreischen Philosophie ins Religiöse ist aber
auch der erste τρόπος mit seiner hohen Wertung gottesdienstlicher
Weihe und (man kann den Ausdruck wohl schon brauchen) zur
Erbauung. Auf Pythagoras führt den Gedanken mit wörtlichem
Anklang Plutarch zurück, def. or. 7, 413 B: Πυθαγόραν είπόντα
βέλτιστους εαυτών γίγνεσθαι τούς ανθρώπους, όταν προς τούς θεούς
βαδίζωσιν (ähnlich de superst. 9, 169Ε). Wieder sieht man in die
noch schlichteren Anfänge einer bei den späteren (wie Porphyrius
und Hierocles) in allen Metaphern religiöser Rede schwelgenden
Frömmigkeit hinein; vgl. Norden, Agn. Theos 345. Und wunder-