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Otto Immisch:
und Mißerfolg menschlicher Handlungen und auf die Verschieden-
heiten menschlicher Begabung eingingen. Mewaldt in seiner
Dissertation über die Aristoxenusschriften S. 19 hat zu diesem
Fragment mit Recht darauf hingewiesen, daß auch für Plato
der Satz gilt: b-εός μέν πάντα καί μετά θεού τύχη καί καιρός τάνΈρώ-
πινα διακυβερνώσι ξύμπαντα (Ges. 4, 709 Β; da dient unter den
aufgezählten Einzelheiten vorher wie nachher gerade auch die
ναυτιλία als Beispiel). Vor allem aber ist zu beachten, daß der
pythagoreischen Tyche bei Aristoxenus auch ein μέρος δαιμόνιου
zugeschrieben wird. Und damit gewinnen wir den Anschluß für
die Dämonologie der alten Akademie. Dahin gehört in den
platonischen "Οροι 414 B: τύχη φορά έξ άδήλου εις άδηλον, καί ή έκ
τού αυτομάτου αίτια δαιμόνιας πράξεως, dahin vor allem
Xenocrates: είναι φύσεις έν τω περιέχοντι μεγάλας μέν καί ίσχυ-
ράς, δύστροπούς δέ καί σκυΕρωπάς (Fr. 25 S. 168 Heinze, wo
ausgeführt ist, daß um ihretwillen die ήμέραι άποφράδες und die
Feste mit häßlichen Riten da sind). Da haben wir den
mythologischen Ausdruck für die unberechenbaren sublunaren
Störungen der Gesetzlichkeit. Unser Peripatetiker meint sachlich
dasselbe. Auch seine Tyche, so rationalistisch der Ausdruck
erscheint, ist doch das auf die sublunare Welt beschränkte
Eingreifen höherer Mächte, im besonderen ein irdisches Wider-
spiel von πρόνοια Εεοΰ (beiläufig: auch dieser später besonders
den Stoikern geläufige Ausdruck fehlt bei Plato nicht: Tim. 44C
u. ö.; vgl. v. \Vilamowitz, Platon 1, 597). Denn zu beachten ist
dabei, daß diese Tyche keineswegs nur im störenden und schäd-
lichen Sinne sich bemerklich machen muß, wie es nach dem Bei-
spiel von der Schiffahrt scheint (worüber alsbald noch ein Wort).
Bei Aristoxenus ist sie ebenso sehr Urheberin von Erfolg und
Wohlbegabtheit wie von den Gegenteilen. Wir werden auf diese
Bedeutung noch zurückkommen, sie fällt gerade für Agatharchides
ins Gewicht.
Vorher müssen wir noch die bisher nur gestreifte Doppelheit
■der Heimarmene bei unserem Anonymus erläutern. Sie scheint
tatsächlich auf jene besonders bei Ptolemäus vorliegende astro-
logische Unterscheidung zwischen einer strengen Εεία und einer
minder bündigen φυσική ειμαρμένη hinauszulaufen, über die
Boll in seinen Studien zu Ptolemäus (Fleckeisens Suppl. 21,
1894, 155ff.) gehandelt hat. Er zeigt, daß diese Lehre bei Ptole-
mäus von den vorausgehenden Philosophemen des Posidonius sich
Otto Immisch:
und Mißerfolg menschlicher Handlungen und auf die Verschieden-
heiten menschlicher Begabung eingingen. Mewaldt in seiner
Dissertation über die Aristoxenusschriften S. 19 hat zu diesem
Fragment mit Recht darauf hingewiesen, daß auch für Plato
der Satz gilt: b-εός μέν πάντα καί μετά θεού τύχη καί καιρός τάνΈρώ-
πινα διακυβερνώσι ξύμπαντα (Ges. 4, 709 Β; da dient unter den
aufgezählten Einzelheiten vorher wie nachher gerade auch die
ναυτιλία als Beispiel). Vor allem aber ist zu beachten, daß der
pythagoreischen Tyche bei Aristoxenus auch ein μέρος δαιμόνιου
zugeschrieben wird. Und damit gewinnen wir den Anschluß für
die Dämonologie der alten Akademie. Dahin gehört in den
platonischen "Οροι 414 B: τύχη φορά έξ άδήλου εις άδηλον, καί ή έκ
τού αυτομάτου αίτια δαιμόνιας πράξεως, dahin vor allem
Xenocrates: είναι φύσεις έν τω περιέχοντι μεγάλας μέν καί ίσχυ-
ράς, δύστροπούς δέ καί σκυΕρωπάς (Fr. 25 S. 168 Heinze, wo
ausgeführt ist, daß um ihretwillen die ήμέραι άποφράδες und die
Feste mit häßlichen Riten da sind). Da haben wir den
mythologischen Ausdruck für die unberechenbaren sublunaren
Störungen der Gesetzlichkeit. Unser Peripatetiker meint sachlich
dasselbe. Auch seine Tyche, so rationalistisch der Ausdruck
erscheint, ist doch das auf die sublunare Welt beschränkte
Eingreifen höherer Mächte, im besonderen ein irdisches Wider-
spiel von πρόνοια Εεοΰ (beiläufig: auch dieser später besonders
den Stoikern geläufige Ausdruck fehlt bei Plato nicht: Tim. 44C
u. ö.; vgl. v. \Vilamowitz, Platon 1, 597). Denn zu beachten ist
dabei, daß diese Tyche keineswegs nur im störenden und schäd-
lichen Sinne sich bemerklich machen muß, wie es nach dem Bei-
spiel von der Schiffahrt scheint (worüber alsbald noch ein Wort).
Bei Aristoxenus ist sie ebenso sehr Urheberin von Erfolg und
Wohlbegabtheit wie von den Gegenteilen. Wir werden auf diese
Bedeutung noch zurückkommen, sie fällt gerade für Agatharchides
ins Gewicht.
Vorher müssen wir noch die bisher nur gestreifte Doppelheit
■der Heimarmene bei unserem Anonymus erläutern. Sie scheint
tatsächlich auf jene besonders bei Ptolemäus vorliegende astro-
logische Unterscheidung zwischen einer strengen Εεία und einer
minder bündigen φυσική ειμαρμένη hinauszulaufen, über die
Boll in seinen Studien zu Ptolemäus (Fleckeisens Suppl. 21,
1894, 155ff.) gehandelt hat. Er zeigt, daß diese Lehre bei Ptole-
mäus von den vorausgehenden Philosophemen des Posidonius sich