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Otto Immisch:
alter cler Weisen“ bei ihm eine besondere Rolle spielte). Um
so schwerer fällt ins Gewicht, daß bei den Athenern auch die
heiteren Künste wie die Malerei schon άρχήθεν erfunden sind und
daß ihre ganze παιδεία sein soll έκ φύσεως ύπάρχουσα. Wir haben
es eben durchaus mit einem gesegneten Ausnahmevolk zu tun,
mit γεννήματα καί παιδεύματα Αεών. Der Timäus und seine
Romantik wirkt auch darin nach.
Die Vermutung wird nicht zu kühn sein, daß der Atlantis-
mythus Platons es war, welcher im Anschluß an den Timäus und
seine ägyptische Priesterweisheit den Verfasser nun auch von
Athen hinüber nach Ägypten führte und damit schließlich dem
Gebiete zu, dem seine Darstellung im besonderen sich zuwenden
wollte. Aus diesen letzten Abschnitten der Einleitung stammt
dann die Schlußekloge des Photius über die Nilschwelle, von der
wir schon sahen, wie sie ohne jede Buchgrenze hinüberführt zu
dem nun wirklich auch den Namen des Agatharchides tragenden
Werke.
* *
*
Das Bild des Agatharchides, das sich uns aus der Zuweisung1
an ihn ergeben hat, die, wie wir glauben, schon Ruhnken beab-
sichtigte, dürfte in sich überzeugend und nach mancher Richtung
hin bedeutsam sein. Indem er seinem letzten anthropogeographi-
schen Werke eine philosophische Einleitung gab, die den Lebens-
raum und die Bedingtheit des Menschen in großem Stile darstellen
wollte, vom Kosmischen zum Tellurischen und Geographischen
fortschreitend, legte er, der Peripatetiker und Genosse des pythago-
reisierenden Heraclides, eine eklektisch-harmonistische Philo-
sophie zugrunde, für die zweierlei wesentlich ist. Einmal finden
wir ihn, den Sohn eines fachwissenschaftlichen Zeitalters, sehr
positivistisch gerichtet: die ένάργεια ist ihm alles; ein skeptisches
Mißtrauen gegen aetiologische idypothesen über die Sachverhalte
selbst, an denen er sich genügen läßt, erfüllt ihn. Aber gleichzeitig
tritt nun das zweite hervor: an Stelle des unbefriedigenden Ratio-
nalismus, der damals im Epikureismus blühte, die Hinwendung
zur frommen pythagoreisch-platonischen Metaphysik. Auch sie
war der Zeit eigen, und die Romantik des hellenistischen Literaten-
1 Während der Korrektur sehe ich, daß soeben v. Wilamowitz,
Platon 2, 84, beiläufig auf Photius 249 aufmerksam macht. Er be-
zeichnet zu meiner Freude das Stück ausdrücklich als „un verächtlich“.
Otto Immisch:
alter cler Weisen“ bei ihm eine besondere Rolle spielte). Um
so schwerer fällt ins Gewicht, daß bei den Athenern auch die
heiteren Künste wie die Malerei schon άρχήθεν erfunden sind und
daß ihre ganze παιδεία sein soll έκ φύσεως ύπάρχουσα. Wir haben
es eben durchaus mit einem gesegneten Ausnahmevolk zu tun,
mit γεννήματα καί παιδεύματα Αεών. Der Timäus und seine
Romantik wirkt auch darin nach.
Die Vermutung wird nicht zu kühn sein, daß der Atlantis-
mythus Platons es war, welcher im Anschluß an den Timäus und
seine ägyptische Priesterweisheit den Verfasser nun auch von
Athen hinüber nach Ägypten führte und damit schließlich dem
Gebiete zu, dem seine Darstellung im besonderen sich zuwenden
wollte. Aus diesen letzten Abschnitten der Einleitung stammt
dann die Schlußekloge des Photius über die Nilschwelle, von der
wir schon sahen, wie sie ohne jede Buchgrenze hinüberführt zu
dem nun wirklich auch den Namen des Agatharchides tragenden
Werke.
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Das Bild des Agatharchides, das sich uns aus der Zuweisung1
an ihn ergeben hat, die, wie wir glauben, schon Ruhnken beab-
sichtigte, dürfte in sich überzeugend und nach mancher Richtung
hin bedeutsam sein. Indem er seinem letzten anthropogeographi-
schen Werke eine philosophische Einleitung gab, die den Lebens-
raum und die Bedingtheit des Menschen in großem Stile darstellen
wollte, vom Kosmischen zum Tellurischen und Geographischen
fortschreitend, legte er, der Peripatetiker und Genosse des pythago-
reisierenden Heraclides, eine eklektisch-harmonistische Philo-
sophie zugrunde, für die zweierlei wesentlich ist. Einmal finden
wir ihn, den Sohn eines fachwissenschaftlichen Zeitalters, sehr
positivistisch gerichtet: die ένάργεια ist ihm alles; ein skeptisches
Mißtrauen gegen aetiologische idypothesen über die Sachverhalte
selbst, an denen er sich genügen läßt, erfüllt ihn. Aber gleichzeitig
tritt nun das zweite hervor: an Stelle des unbefriedigenden Ratio-
nalismus, der damals im Epikureismus blühte, die Hinwendung
zur frommen pythagoreisch-platonischen Metaphysik. Auch sie
war der Zeit eigen, und die Romantik des hellenistischen Literaten-
1 Während der Korrektur sehe ich, daß soeben v. Wilamowitz,
Platon 2, 84, beiläufig auf Photius 249 aufmerksam macht. Er be-
zeichnet zu meiner Freude das Stück ausdrücklich als „un verächtlich“.