Metadaten

Goldschmidt, Richard H.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 6. Abhandlung): Postulat der Farbwandelspiele — Heidelberg, 1928

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.38940#0024
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
24

R. H. Goldschmidt:

mit Bildwerken abstrakter Malerei, und die Einstellung auf derlei,
eine verständnisvolle Betrachtung und ein künstlerisches Genießen
der Darbietungen von Hirschfeld-Mack.
Es konnte nun, wenigstens bisweilen gelingen (trotz mannig-
faltiger, z. T. auf völliger Verständnislosigkeit beruhender Störun-
gen im Zuschauerraum), angesichts der Darbietungen von Hirsch-
feld-Mack zu einem künstlerischen Erleben zu gelangen. Bei-
spielsweise gelang das, wenn farbigleuchtende Wellenlinien,
etwa nach Art von Sinuskurven, bewegt und in stetem Wechsel
erschienen. Dagegen mißlang das, wenn leuchtende Bechtecke zu
unterschiedlichen Höhen emporwuchsen und dabei als Klötze im-
ponierten, die gleichsam tanzten; denn das Tanzen der Klötze
hatte etwas Widersinniges, geradezu Komisches; einen befremd-
lichen und geradezu komischen Eindruck konnte auch das Hüpfen
leuchtender Dreiecke machen. — Die Rolle der Formen besitzt
wohl eine entscheidende Bedeutung für das Gelingen und Miß-
lingen des künstlerischen Eindrucks. Mit dem Farbwandel ver-
bindet sich ein Formenwechsel. Geschah dieser Wechsel abrupt,
so wurde der künstlerische Eindruck besonders stark gefährdet.
Paßten aber die wirkliche Bewegung und der wirkliche Wechsel be-
sonders gut zu der dargebotenen Form, wie beim sanften Dahin-
gleiten einer Wellenlinie, und gelang die Abstraktion vom Befremd-
lichen der Erscheinung durch völlige Hingabe etwa an ihr Farben-
spiel, so konnte die „Besonderheit“ der Form zurücktreten; dann
wirkte der Farbwandel als solcher, hinsichtlich des Farbtonwechsels,
sowie in seiner Bewegtheit, und daneben nur der „allgemeine“
Formcharakter, als Begleitmoment des Farbwandels; dann konnte
es zu einem künstlerischen Erleben kommen, das (in einem durch
die Beschränkung der Darbietungsweise freilich recht engen Ge-
biete) wenigstens eine kleine Annäherung an die Befriedigung der
Farbwändelspielpostulate bedeutete, daneben aber auch gerade
diese Postulate selbst mächtig werden ließ.
10. Färb- Form-Zusammenhänge besonderer Art schil-
derte bereits Kandinsky in seinen „Beobachtungen und Gefühls-
erfahrungen“ „über das Geistige in der Kunst, insbesondere in der
Malerei“ (1923, S. 53 . . . .; vgl. 7.). »Die Form selbst, wenn sie
auch ganz abstrakt ist und einer geometrischen gleicht, hat ihren
inneren Klang, ist ein geistiges Wesen mit Eigenschaften, die mit
dieser Form identisch sind«; »dabei läßt sich leicht bemerken, daß
manche Farbe durch manche Form in ihrem Wert unterstrichen
wird und durch andere abgestumpft.«
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften