VII. Ontologie und Logik.
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daß wir einmal das Wort „was“, das andere Mal das Wort „ist“
betonen. „Was etwas ist“, bedeutet nicht dasselbe wie „was
etwas ist“. Dieser Unterschied hängt, wie wir inzwischen zeigen
konnten, mit dem Unterschied von Inhalt und Form der Erkenntnis
oder mit dem von Anschauung und Begriff zusammen, die in jeder
gegenständlichen Wahrheit vereint sind, und nun ist klar: in
einer Ontologie kann gerade die zweite Frage nach dem „Sein“
von Etwas, also die Frage, was etwas ist, niemals unwesentlich
werden. Läßt aber diese Frage sich jemals auf Grund einer bloßen
Anschauung beantworten ?
Was hierüber zu sagen ist, wissen wir im Grunde bereits. „Sein“
ist als Prädikat für sich genommen nur unanschauliche, begriff-
liche Form im Unterschied von dem anschaulichen Inhalt des
Subjekts. Das Sein als Prädikat oder als Form kann man niemals
nur anschauend erkennen wollen. Wer Ontologie als Wissen-
schaft vom Sein treibt, darf also keine intuitionistische Erkenntnis-
theorie vertreten. Mit ihr wird er das Wesen seiner eigenen, etwas
als „seiend“ prädizierenden, ontologischen Erkenntnis nie ver-
stehen. Darüber brauchen wir nichts weiter zu sagen. Aber es
bleibt noch eine andere Frage. Wir konnten zwar zeigen, weshalb
das Wesen keiner Erkenntnis durch den Intuitionismus als Er-
kenntnistheorie zu begreifen ist. Doch geht daraus noch nicht
hervor, daß deshalb jeder, der Wissenschaft überhaupt treibt,
zugleich auch Erkenntnistheoretiker sein müsse. Ja, eine solche
Behauptung wäre sogar sicher falsch. Die meisten Spezialforscher
kümmern sich um erkenntnistheoretische Fragen nicht, und dieser
Umstand hindert sie trotzdem in keiner Weise, zu wertvollen
wissenschaftlichen Ergebnissen zu kommen. Ist es daher nicht
auch der Ontologie möglich, nachdem sie den Intuitionismus auf-
gegeben hat, das Erkenntnisproblem völlig zu ignorieren und
dennoch das Sein der Welt oder das Seiende überhaupt zu er-
kennen ?
Um hierüber Klarheit zu gewinnen, müssen wir noch einmal
auf das Problem des Verhältnisses von Form und Inhalt oder von
Anschauung und Begriff in der Erkenntnis zurückkommen und
zeigen, weshalb, in bezug auf das inhaltliche oder anschauliche
Moment der Erkenntnis und sein Verhältnis zur Form, die Ontologie
als die Lehre vom Sein der Welt oder von allem Seienden über-
haupt, sich in einer prinzipiell anderen Lage befindet als jede
Spezialwissenschaft, und weshalb es für die Ontologie nicht mög-
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daß wir einmal das Wort „was“, das andere Mal das Wort „ist“
betonen. „Was etwas ist“, bedeutet nicht dasselbe wie „was
etwas ist“. Dieser Unterschied hängt, wie wir inzwischen zeigen
konnten, mit dem Unterschied von Inhalt und Form der Erkenntnis
oder mit dem von Anschauung und Begriff zusammen, die in jeder
gegenständlichen Wahrheit vereint sind, und nun ist klar: in
einer Ontologie kann gerade die zweite Frage nach dem „Sein“
von Etwas, also die Frage, was etwas ist, niemals unwesentlich
werden. Läßt aber diese Frage sich jemals auf Grund einer bloßen
Anschauung beantworten ?
Was hierüber zu sagen ist, wissen wir im Grunde bereits. „Sein“
ist als Prädikat für sich genommen nur unanschauliche, begriff-
liche Form im Unterschied von dem anschaulichen Inhalt des
Subjekts. Das Sein als Prädikat oder als Form kann man niemals
nur anschauend erkennen wollen. Wer Ontologie als Wissen-
schaft vom Sein treibt, darf also keine intuitionistische Erkenntnis-
theorie vertreten. Mit ihr wird er das Wesen seiner eigenen, etwas
als „seiend“ prädizierenden, ontologischen Erkenntnis nie ver-
stehen. Darüber brauchen wir nichts weiter zu sagen. Aber es
bleibt noch eine andere Frage. Wir konnten zwar zeigen, weshalb
das Wesen keiner Erkenntnis durch den Intuitionismus als Er-
kenntnistheorie zu begreifen ist. Doch geht daraus noch nicht
hervor, daß deshalb jeder, der Wissenschaft überhaupt treibt,
zugleich auch Erkenntnistheoretiker sein müsse. Ja, eine solche
Behauptung wäre sogar sicher falsch. Die meisten Spezialforscher
kümmern sich um erkenntnistheoretische Fragen nicht, und dieser
Umstand hindert sie trotzdem in keiner Weise, zu wertvollen
wissenschaftlichen Ergebnissen zu kommen. Ist es daher nicht
auch der Ontologie möglich, nachdem sie den Intuitionismus auf-
gegeben hat, das Erkenntnisproblem völlig zu ignorieren und
dennoch das Sein der Welt oder das Seiende überhaupt zu er-
kennen ?
Um hierüber Klarheit zu gewinnen, müssen wir noch einmal
auf das Problem des Verhältnisses von Form und Inhalt oder von
Anschauung und Begriff in der Erkenntnis zurückkommen und
zeigen, weshalb, in bezug auf das inhaltliche oder anschauliche
Moment der Erkenntnis und sein Verhältnis zur Form, die Ontologie
als die Lehre vom Sein der Welt oder von allem Seienden über-
haupt, sich in einer prinzipiell anderen Lage befindet als jede
Spezialwissenschaft, und weshalb es für die Ontologie nicht mög-