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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0016
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12

Ernst Hoffmann:

sind von Ewigkeit her gemeinsam heimisch nur im Ideenbereich;
aber wie das Werden durch Teilhabe am Sein ein ‘Werden zum
Sein hin’ wird, so wird die Erkenntnis durch Teilhabe an den Ideen
ein Erwerb der Wahrheit. Dies ist die singuläre Funktion Gottes:
er schenkt die Möglichkeit der Methexis, er ist die Ureinheit
von Sein und Werden1. Dank seiner bedeutet die Teilhabe an
Sein und Wahrheit, daß das Werdende sich nicht verfließend auf-
lösen, das Denkende sich nicht in Bewegung erschöpfen muß,
sondern daß beide in der unräumlichen und unzeitlichen Parusia
des unwandelbaren Seins ihren bleibenden Grund, ihren Halt
und ihre Rettung finden. — Es ist also für Platon sowohl logisch
wie aitiologisch falsch gedacht, wenn man Gott und Ideenwelt
so betrachten will, wie man Primäres und Sekundäres begreift;
sondern sowohl die Einheit des ewig-Guten als auch die Vielheit
der reinen, ideellen Seinsformen, sie beide sind absolute, unwandel-
bare, höchste und ewige Prinzipien, notwendig miteinander zu
denken, aber ebenso notwendig in ihrer Funktion different zu den-
ken.
Verhängnisvoller noch würde es Platon bediinken, die Erschei-
nungswelt aus den Ideen hervorgehen zu lassen. Ein Abbild geht
nicht aus dem Urbild hervor, sondern ist ihm ‘mehr oder minder’
ähnlich, hat an ihm ‘mehr oder minder’ teil2. Dieser grundsätzlich
komparative Charakter ist geradezu das Kennzeichen des abbild-
lichen Bereichs. Jenes ‘mehr oder minder’ der phänomenalen Sphäre
bedeutet, daß siezwischen einem radikal-Nichtigen und dem absolut -
Seienden, zwischen barer Bestimmung losigkeit und vollkommener
Bestimmtheit in einer fluktuierenden Mittellage ist. Nun haben aber
gleiche Dinge an der ‘Gleichheit’, tapfere Menschen an der ‘Tapfer-
keit’ teil; Teilhabe ist ein Erwerb, ein Erlangen, ein Erstreben;
Teilhabe ist das Streben der besonderen und bedingten Einzelexi-
stenz nach der allgemeinen und unbedingten Form und Norm.
Also gehören besonderes und Allgemeinheit, gleiches und Gleichheit,
1 An diesem Charakter des Gottesbegriffs scheitert jede einseitig ratio-
nalistische Interpretation der Ideenlehre. Dies hat als erster C. Ackermann
in der ganzen Bedeutung für den philosophischen Charakter des Platonismus
erkannt. Sein Buch, Das Christliche im Plato und in der platonischen Philo-
sophie, Hamburg 1835, gehört in der Platonliteratur zu dem Wenigen, was
nicht veraltet.
2 Die abschließende Definition des gakkov xal tj-nrov steht Phileb. 24b:
6 Xöyoc, cnjgoavet, yjgiv ttoÜtco gv] tsXot; eysiv' xrsXvj S’öv-re Sr)ttou uavTaTraaiv
dbrsipco yLyveaöov.
 
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