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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0023
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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Was aber besagt nun die ‘Proportion’ ? Alle Stadien möglicher
Erkenntnis, von der Eikasia bis zur Noesis, sind zugleich tmematisch
geschieden und proportional gebunden1. Zwischen der scheinenden
und der seienden Sphäre liegt der nach dem Principium contradictio-
nis2 gesetzte Schnitt, sofern das Wissen vom Sein sich selber als das
dem Wissen um die Erscheinungen gegenüber grundsätzlich
Andere weiß. Gerade deswegen aber sind nun die Erscheinungen
auf die Seinsformen beziehbar geworden; denn dasselbe Denken,
welches das Eidos-Eidolon-Verhältnis als Bruch setzt, setzt es
zugleich als Relation, als Teilhabe des Niederen am Höheren, und
hiermit ist der Weg zur proportionalen Bindung erschlossen: Wer
die Kluft zwischen der denknotwendigen Idee der Gleichheit und
sinnlichen, nur ‘scheinbar’ gleichen Dingen wahrhaft eingesehen
hat, der erkennt zugleich, daß eben jenes scheinbare Gleichsein
der Dinge nur durch Bezug auf die Idee wahrer ‘Gleichheit’ ermög-
licht ist, d. h. daß es durch Methexis für die Erkenntnis ‘gerettet’
ist. Die Methexis ist also nie von unten her zu begreifen, immer
nur von oben, vom reinen Denken her. Daher ist Teilhabe auch
nicht vorstellbar, sondern immer nur denkbar, und alle Ausdrücke
für das Wesen der Methexis bleiben in der Sphäre sinnbildlicher
Symbolik. Wie es zum Sein des Hellen gehört, daß Schatten ent-
stehen, so zum Sein des Seienden, daß Erscheinungen entstehen.
Die Methexis ist also verliehen; sie ist, um dem Werdenden ein
Seinsmoment zu geben und um der Erkenntnis im Sinnlichen einen
Ansatz zu gewähren, als eine Gabe uns geschenkt und zwar von
Gott, vom Guten selber. (Daher ist auch das künstliche Feuer
in der Höhle ein Ableger der Sonne; wie die empirische Kausalität
ein bloßes Derivat der metaphysischen ist3.) Wie ein Gegenstand
1 Schon durch den Begriff der Proportion im genuin-Platonischen Sinne
ist (eben für den genuinen Platonismus) das ganze Pseudo-Argument vom
TpDo<; oLv&pbmoc, erledigt.
2 Vgl. Resp. 436a, 439b. Dazu meinen Aufsatz Der histor. Ursprung
des S. v. W., Jahresber. d. Philol. Vereins XXXXIX, 1923, S. 1 ff.
3 Quelle vieler Mißverständnisse Resp. 508b: daß das göttlich Gute die
Sonne als öcvakoyov soojtw syevvrjssv. Man darf weder yevvöcv pressen noch
avaXoyov übersehen. Die ävaXoyla ist eben die Gabe Gottes, und durch sie
ist Methexis möglich. Der ganze Begriff der göttlichen Causa existentialis
ist bei Platon nicht substantial, sondern funktional gedacht. Daß Gott der
Grund des gut-Seienden ist, bedeutet: er schenkt die Partizipation. Dies
legitimiert in der Mythopoiie den Begriff des Demiurgen (nicht den Gott der
biblischen Genesis). Zum Begriffe der Analogie zwischen aisthetischer und
noetischer Welt ist zu bedenken, daß nach der Darstellung der Politeia im

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