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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0025
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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erste Zeichen sich regender geistiger Aktivität verrät, ist die Er-
kenntnis draußen lebendig geworden; aber solange sie (dianoetisch)
noch am Boden haftet, träumt1 sie; erst der die Richtung zum
ewigen Firmament nehmende Dialektiker ist wach. Aber wiederum
ist es noch etwas grundsätzlich anderes, ‘am Tage’ gen Himmel zu
blicken und die Sonne selber zu sehen. Sonne und Sterne walten
am selben Himmel, wie Gott und die Ideen am selben Firmament
des Absoluten; ja die Sterne erhalten ihre Ordnung nur von der
ihre Gruppen durchwandernden Sonne, wie die Ideen ihre Gruppie-
rung nur durch ihre verschiedengestaltige Beziehung zum Guten-
an-sich erhalten. Aber das ‘Gute-an-sich’ als königliche Idee des
Bebens ist von den übrigen Ideen noch so geschieden wie das
Tagesgestirn von den nächtlichen. Daher ist zwar ‘die dialektische
Methode die einzige, die auf diesem Wege, die bloßen Vorausset-
zungen aufhebend, zum Anfang selbst vordringt, um ihn sicher-
zustellen; und das wahrhaft in einem Brei von Barbarei begrabene
Auge der Seele zieht sie mit sanftem Druck zum Ficht und führt
es aufwärts, wobei sie sich für die Seelenumwandlung der Mithilfe
und Mitarbeit derjenigen Fächer bedient, die wir durchgegangen
sind2’. Aber ‘wer die Idee des Guten logisch (tö koyco) nicht so be-
stimmen kann, daß er sie von allen anderen absondert und wie in
der Schlacht, sich durch alle Widerstände hindurchschlägt . . .,
von dem werden wir sagen, daß er das jetzige Leben verträumt
und verschläft, und ehe er noch hier aufgewacht ist, in die Unter-
welt gelangt, um da in endgültigen Schlaf zu versinken3’.
Fassen wir alles zusammen, so ist Platons Lehre folgender-
maßen zu fixieren: Das göttlich Gute hat nicht, wie in den meisten
anderen metaphysischen Weltanschauungen, ein böses Prinzip als
Widerpart gegen sich, sondern es hat die Ideen als das reine Sein
ewig um sich4; und die Sphäre der Erscheinungen muß als
1 Resp. VII, 533c.
2 Resp. VII, 533d.
3 Resp. VII, 534c.
4 Diese grundlegende Tatsache ist, soviel ich sehe, in der ganzenmodernen
Literatur zu Platon ignoriert, auch in der zuverlässigsten, der englischen.
Gerade dies aber war der Punkt, der allen späteren Platonismen ihr Problem
gab. — Daß das reine Gute das Göttliche und metaphysisch Demiurgische
sei, mußte den Griechen als Paradoxie erscheinen, denn ihre positive Religion
gab dafür keinen Anhalt. Auch die Ideen tragen für das in griechischer Über-
lieferung wurzelnde Bewußtsein paradoxen Charakter, daher erscheint ‘den
Vielen’ das Leben in der Idee lächerlich (vgl. die Schilderung der Vita con-
 
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