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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0030
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Ernst Hoffmann:

In dem ‘Wege’ liegt das Schicksal der menschlichen Seele
beschlossen; und Aufschluß über dieses Schicksal ist zu erwarten
nur aus der Einsicht in die Gefahren und in die Rettungen, die
sich für die Seele aus dem Verbleiben in der abbildlichen und aus
der Hinwendung zu der vorbildlichen Sphäre ergehen. Denn die
Eikasia begnügt sich nicht, als primitiver Zustand des noch un-
kritischen Menschen zu existieren; sondern sie wirkt sich auch
gefährlich aus als raffinierte Gaukelei einer Sophistik und Dema-
gogie, die zu eigenem Vorteil der Wissenskrämer andere Menschen
auf dieser primitiven Stufe zu erhalten und ihnen ein schmeicheln-
des Scheinwissen vorzutäuschen sucht. Die Partie Sophistes
233—236 zeigt ganz deutlich, daß Platon im Höhlengleichnis hei
der Charakterisierung der Eikasia, des Zustandes einfacher Hin-
nahme sinnlicher Scheinbarkeit, an diese der Seele aus künstlich
vorgemachtem Wissenstrug erwachsenen Gefahren gedacht hat.
Denn Platon hat seine Schilderung der Höhle so eingerichtet, daß
der auf unterster Erkenntnisstufe uns beherrschende Trug sinn-
licher Eindrücke den aufmerksamen Leser an die gerade damals
aufkommende1, in Platons Augen sinnestäuschende Technik der
perspektivischen Kunst der Kulissenmaler (GX7]voypa<pla) erinnern
mußte; und diese Perspektivenmaler sind es, mit denen er durch-
gehend in seinen Dialogen die Sophisten vergleicht. Diese Maler
können scheinbar ‘mit Einer Kunst alles Beliebige hervorbringen’;
sie arbeiten — besonders wenn sie ihre cxux.ypacpta in den Dienst
der gxtjvoypacpG stellen — enorm leicht und schnell; sie bringen
Phantasmen hervor, die nur auf den Fernstehenden wirken, ja
ihm eine Einheit Vortäuschen, während dem Nähertretenden das
Ganze sich in nichtigen Trug auflöst. M. a. W., sie verwenden
etwas zu merkantilen Zwecken, was an sich eine ‘anmutige Art
von Scherz’ ist, nämlich durch eine Nachahmungskunst ein All-
können vorzutäuschen. Zur gleichen Zunft der Gaukler aber
gehört der Sophist, der gar nichts weiter ist als ein perspektivisch
Legg. 899 b zu verstehen, wo Seelen auf den Gestirnen "gleichsam wie
auf Wagen’ sitzen und die geordnete Bewegung der Himmelskörper len-
kend das Muster sichtbarer Vollkommenheit geben. Platon betont auch
da, daß er über die Natur der Seele nichts aussagen wolle, nur eben
dies, daß ohne Seele kein vollkommenes Werden in Erscheinung treten
könne. -—- Über die drei Bereiche und den Aufstieg der Seele s. Resp.
517 b.
1 Vgl. E. Pfuhl, Apollodoros 6 axiocypacpoc, Jahrb. d. Deutschen Arcli.
Inst. XXV, 1910, S. 12«.
 
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