Platonismus und Mystik im Altertum.
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Menschen an. Gleichermaßen gefördert durch die Erfahrung
äußerer Nöte und innerer Kräfte drang in dem griechisch-gebilde-
ten, römisch beherrschten Weltreich die Überzeugung tiefer als
zuvor und immer weiter durch, daß die Menschheit nicht nur
irgendein Teil des Kosmos, sondern ein nach dem Sinne des Ganzen
zu Besonderem berufener Teil sei, daß sie aus einzelnen Ichen, aus
personalen Selbsten bestehe. Und hiermit wurde die Bahn des
Erfolges offen für den neuen Typus Philosophie, der Lehrgebäude
schuf zu keinem anderen Zwecke als zu dem, systematisch den Weg
zu zeigen, wie der ‘Mensch’ in seinem eigenen Selbst durch philo-
sophische Zucht erstarken, sich da hinein zurückziehen und hier
bis zum unverlierbaren Halt gelangen könne. Es handelte sich
nicht mehr um Platonische ‘Ideen’, deren transzendentes Sein
unserm ohne sie verströmenden Seelenleben Richtung, Halt und
Ziele weist; sondern es handelte sich um die immanente Autarkie
des Innenlebens, um die Vervollkommnung der Seele selber zu
einer Art ideenhafter Form und Norm. Ist aber die Philosophie
auf diesem Wege, so wird sie bald dahin tendieren, dies seelische
Selbst zu vergotten; denn wo der letzte Halt, der unerschütterliche
Grund ist, da muß Gott nahe und anwesend sein. Rücken aber
Ich-Begriff und Gott-Begriff derart eng aneinander, so wird ein
Weltbild bevorzugt werden, welches nicht mehr die methodischen
Schnitte Platons duldet, sondern Kontinuität will, ‘Syndesmos’
vom obersten Sein bis zum untersten Werden. Das Prinzip heißt
nun nicht mehr Reinheit der Methode, sondern Einheit des
Weltbildes. Die Philosophie will nicht mehr im Ganzen Wissen-
schaft sein, alle einzelnen Wissenszweige in der Einheit einer krö-
nenden Metaphysik gründen, durch Schärfe des theoretischen
Denkens Rettung für das Staatsganze bringen und auf ihrem Gipfel
in Religionsphilosophie münden; sondern Philosophie will nun un-
mittelbar die wahre Religion der Gebildeten in der Welt selber
sein und zwar mit den Mitteln einer auf diesen Zweck eingestellten
Theologie, Kosmologie und Anthropologie1.
Wie stellt sich nunmehr in diesem neuen Typus der Philo-
sophie das Problem Platons vom ‘Einen und Vielen’ dar ? Soll
1 Über das Verhältnis der Einzelwissenschaften zur Philosophie im helle-
nistischen Zeitalter vgl. W. Diltheys Biographisch-literarischen Grundriß
der allgemeinen Geschichte d. Philos., 6. Aufl., S. 42ff., wo auf kürzestem
Raum alles Wesentliche ausgesprochen ist.
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Menschen an. Gleichermaßen gefördert durch die Erfahrung
äußerer Nöte und innerer Kräfte drang in dem griechisch-gebilde-
ten, römisch beherrschten Weltreich die Überzeugung tiefer als
zuvor und immer weiter durch, daß die Menschheit nicht nur
irgendein Teil des Kosmos, sondern ein nach dem Sinne des Ganzen
zu Besonderem berufener Teil sei, daß sie aus einzelnen Ichen, aus
personalen Selbsten bestehe. Und hiermit wurde die Bahn des
Erfolges offen für den neuen Typus Philosophie, der Lehrgebäude
schuf zu keinem anderen Zwecke als zu dem, systematisch den Weg
zu zeigen, wie der ‘Mensch’ in seinem eigenen Selbst durch philo-
sophische Zucht erstarken, sich da hinein zurückziehen und hier
bis zum unverlierbaren Halt gelangen könne. Es handelte sich
nicht mehr um Platonische ‘Ideen’, deren transzendentes Sein
unserm ohne sie verströmenden Seelenleben Richtung, Halt und
Ziele weist; sondern es handelte sich um die immanente Autarkie
des Innenlebens, um die Vervollkommnung der Seele selber zu
einer Art ideenhafter Form und Norm. Ist aber die Philosophie
auf diesem Wege, so wird sie bald dahin tendieren, dies seelische
Selbst zu vergotten; denn wo der letzte Halt, der unerschütterliche
Grund ist, da muß Gott nahe und anwesend sein. Rücken aber
Ich-Begriff und Gott-Begriff derart eng aneinander, so wird ein
Weltbild bevorzugt werden, welches nicht mehr die methodischen
Schnitte Platons duldet, sondern Kontinuität will, ‘Syndesmos’
vom obersten Sein bis zum untersten Werden. Das Prinzip heißt
nun nicht mehr Reinheit der Methode, sondern Einheit des
Weltbildes. Die Philosophie will nicht mehr im Ganzen Wissen-
schaft sein, alle einzelnen Wissenszweige in der Einheit einer krö-
nenden Metaphysik gründen, durch Schärfe des theoretischen
Denkens Rettung für das Staatsganze bringen und auf ihrem Gipfel
in Religionsphilosophie münden; sondern Philosophie will nun un-
mittelbar die wahre Religion der Gebildeten in der Welt selber
sein und zwar mit den Mitteln einer auf diesen Zweck eingestellten
Theologie, Kosmologie und Anthropologie1.
Wie stellt sich nunmehr in diesem neuen Typus der Philo-
sophie das Problem Platons vom ‘Einen und Vielen’ dar ? Soll
1 Über das Verhältnis der Einzelwissenschaften zur Philosophie im helle-
nistischen Zeitalter vgl. W. Diltheys Biographisch-literarischen Grundriß
der allgemeinen Geschichte d. Philos., 6. Aufl., S. 42ff., wo auf kürzestem
Raum alles Wesentliche ausgesprochen ist.