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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0041
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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beginnt die Tendenz, sich in einer Reihe1 fortzusetzen, die bis ins
Grenzenlose geht, denn unzählige Zahlen sind möglich. So ist die
Eins das Prinzip der ‘Bestimmtheit’, die Zwei das der ‘Unbestimmt-
heit’. Dennoch erhält sich die Eins in jeder folgenden Zahl, denn
auch jede folgende Zahl ist wiederum Eine. In diesem Sinne ist
die Welt Entfaltung aus Gottes Einsheit, daß er ‘das Eine im Vielen’
ist, das einheitlich Bleibende bei aller Abwandlung und Ausfaltung.
Mit diesen Worten mag ganz allgemein bezeichnet sein, wie in dem
pythagoreischen Begriffe der Explikation die mathematische Denk-
weise restlos bestimmend wurde. Im Einzelnen gingen die dogma-
tischen Richtungen des Pythagoreismus2 verschiedene Wege.
Durch Diogenes Laertius3 lernen wir einen primitiven neupythago-
reischen Monismus kennen, der aus der Einsheit als dem Kraft-
prinzip die unbestimmte Zweiheit als das Stoffprinzip hervorgehen
ließ, aus beiden zusammen die Zahlenreihe, aus ihr die Punkte,
denen dann stetig die Linien, Flächen, Figuren, Elemente, Körper
folgen, so daß substantiell die Welt aus der Einheit hervorgegangen
ist und durch mathematisches Stetigkeitsprinzip in sich gebunden
bleibt. Ein zweiter Standpunkt ist mit dem Namen des Moderatus4
verknüpft. Der Dualismus von Gott und Welt, von Einheit und
Vielheit bleibt erhalten; und die Zahlen werden nicht verwendet,
um das Substanzproblem zu lösen, sondern um eine symbolische
Welterklärung zu liefern: Die Eins symbolisiert Einheit, Harmonie,
Bestand, Gesetzmäßigkeit. Die Zwei Andersheit, Teilung, Verände-
1 Über die Funktion der Eins in der antiken Mathematik s. J. Tropfke,
Geschichte der Elementar-Mathematik in systematischer Darstellung I, 1902,
S. 1541., der auch die wichtigsten Belege gibt. Die Eins ist Zahl (sc. ungerade)
und ist doch nicht Zahl, da sie nicht (wie alle Zahlen der Reihe) zwei Nachbar-
zahlen besitzt. Als einzige bleibt sie, mit sich selber ‘multipliziert’, die selbe;
wird aber ‘explizit’ zum Prinzip der Zahlenreihe (denn die Zahl ist ouaTY)goc
govdSwv Theo Smyrn. S. 18. 3 Hiller). Vgl. dazu xkristoteles Metaph. 1052 b
21 — 1053 b 3: YiyvcoaxeToci dpthgcx; d~ac; svl ff.
2 Das Wort zunächst nicht im Sinne einer ‘Schule’ zu verstehen, sondern
am Ausgang des Hellenismus im Sinne ‘eines Interesses der Öffentlichkeit
oder der gebildeten Welt — bis etwa kaiserzeitliche Obskuranten sich zu
pythagoreischen Schulhäuptern aufwarfen.’ So Rich. Harder, Ocellus
Lucanus (Neue Philolog. Unters. Heft 1, Berlin 1926), S. 149. Über die prin-
zipielle Bedeutung der ganzen Richtung s. E. Bickel, Inlocalitas. Zur neu-
pythagoreischen Metaphysik. Kant-Festschr., Leipz. 1924.
3 Diog. Laert. VIII, 25. Referat aus Alexandros Polyhistor. Dazu
Ueberweg-Praechter12, S. 517.
4 Porphyrius, Vita Pythagorae 48—53.
 
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