Metadaten

Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0042
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
38

Ernst Hoffmann:

rang. Die Drei als Prototyp von Anfang, Mitte und Ende symboli-
siert die Vollkommenheit, usw. Für diesen Symbolismus verhält
sich das Zahlensystem zur Welt wie die Buchstaben zu einem Wort-
körper oder wie die mathematische Figur zu dem Gesetze, welches
sie anschaulich machen soll. Eine dritte1 Richtung verlegte die
Zahlen als die urbildlichen Weltgedanken in die Gottheit; sie
waren Musterbilder und Werkzeuge Gottes bei der Weltbildung,
in ihnen ruht seither die Form und die Verknüpfung der Dinge,
sie sind für uns die wahren Erkenntnisgründe, sofern wir durch
sie den Plan der göttlichen Schöpfung arithmetisch zu lesen im-
stande sind. Mochten diese pythagoreischen Richtungen unter-
einander noch so stark differieren, sie schienen sowohl sich selber2
als auch der spätantiken Tradition und noch den christlichen
Vätern alle dem Platonismus ganz nahe geblieben zu sein.
Wie bei Platon der Ideenbereich zwischen Gott und der
Erscheinungswelt als das ewige Reich der Formen steht, so
steht bei den Pythagoreern das Zahlensystem zwischen der
Eins und der grenzenlosen Unbestimmtheit als das begriffliche
Musterbild von Harmonie und Gesetzlichkeit des Vielen. Und wie
bei Platon der Ideenbereich, so bildet bei den Pythagoreern das
Zahlensystem den eigentlichen Gegenstand und das Ziel unserer
Wahrerkenntnis. Und in der Tat steht Platons Bedeutung für den
späteren Pythagoreismus ebenso außer Zweifel wie seine Abhängig-
keit von dem früheren. Da die Platonische Idee ‘Maß’ ist, da sie
ferner unwandelbare ‘Einheit’ (povdG antik mit pivm verbunden)
im Bereich der unbedingt bestimmten ‘Vielheit’ ist, so ist der Zu-
sammenhang der Problematik von Ideenbegriff und Zahlbegriff
von vornherein gegeben; und dieser Zusammenhang wurde für
Platon selbst, infolge seines auf Dihärese gegründeten Denkens,
je länger umso mehr derart innig, daß Platon als Greis eine Form
von Ideenlehre vortragen konnte, in welcher Aristoteles Platonis-
mus und Pythagoreismus nicht mehr unterscheiden zu brauchen
glaubte. L. Robin, E. Frank, J. Stenzei3 haben nacheinander in

1 Nikomachos aus Gerosa, ^Apiü-g^-nxT) siaaycoyrj.
2 Vgl. Ueberweg-Praechter12, S. 520.
3 L. Robin, La theorie platonicienne des idees et des nombres d’apres
Aristote, Paris 1908. E. Frank, Plato und die sogenannten Pythagoreer,
Halle 1923. J. Stenzel, Zahl und Gestalt bei Platon und Aristoteles, erstmals
Leipzig 1924. Dazu die wichtige Rezension über Stenzel von W. Jaeger,
D. Lit.-Ztg. 1924, Sp. 2046 ff.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften