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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0043
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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drei bedeutenden Werken diese letzte Phase von Platons eigner
Lehre auf Grund der Berichte des Aristoteles, seiner Kommen-
tatoren und der spätantiken Mathematiker weitgehend rekonstru-
iert und durchleuchtet, so daß die früheren Versuche, Platons
späteres Pythagoreisieren entweder aus der Greisenhaftigkeit des
Denkers zu erklären oder es teils auf Mißverständnis des Aristoteles,
teils auf Verderbnisse seiner Textüberlieferung zurückzuführen,
von methodisch gesicherten Interpretationen abgelöst sind. Es
muß nach der Aristotelischen Darstellung1 als sicher gelten, daß
der alte Platon für natürliche Dinge Ideen angenommen hat,
denen er eine Art von Genesis zuschrieb, indem er sie aus den beiden
oToiyeZy. des Einen und des Unbegrenzten entstehen ließ; ferner
daß er diese Ideen wesentlich als Zahlen faßte, nicht zwar von Be-
schaffenheit der mathematischen, untereinander artgleichen und
daher addierbaren Zahlenreihe, aber als Bereich ‘idealer Zahlen’,
die untereinander qualitativ verschieden sind. Und schließlich,
diese Idealzahlen streben einerseits sämtlich nach dem ‘Einen’
{s<pievTai tou svoQ, und sie lassen andererseits aus sich die ‘idealen
Größen’ derart hervorgehen, wie aus den mathematischen Zahlen
die ‘mathematischen Größen’ hervorgehen. Dies ist jene späte
Fassung der Ideenlehre, gegen welche Aristoteles vornehmlich
ankämpfte, da seine philosophische Grundtendenz darauf gerichtet
war, gegen Platon den reinen Formbegriff von allem Quantitativen
radikal zu lösen; und es ist dieselbe Fassung der Ideenlehre, die
der Pythagoreismus fortan rezipierte: Aber es wäre grundverkehrt
anzunehmen, daß Platon durch seine letzten pythagoreisierenden
Lösungsversuche die früheren systembildenden Positionen seiner
Schriften habe desavouieren wollen. Einmal lag der Zusammen-
hang von Formbegriff und Zahlbegriff für Platon nicht erst in
seiner Spätzeit, sondern von jeher im Wesen der Sache; zum an-
dern zeugen noch der siebente Brief und die Gesetze2 von der nie
preisgegebenen, grundsätzlich tmematischen Methode3, welche
1 Zu vergleichen namentlich Metaph. 987b 12, 992a 20, 1036b 12,
1080b 21, 1087b 9, 1090b 20. Dazu Zeller4 II, 1, S. 946—951.
2 Ep. VII, 342aff. — Legg. 643b—645c, 803a—804b.
3 In den Gesetzen nimmt die Tmematik die Form an: Gott, Seele,
Leib. Das entspricht der Aufgabe des Gesetzgebers, der zum Schöpfer des
Staates nur werden kann, wenn er die Seele zur Frömmigkeit gegen Gott
erzieht. Wenn der Rang der Seele durch ihre Mittelstellung zwischen Gott
und Leib bestimmt wird, so nicht deshalb, weil die Ideen preisgegeben wären,
sondern weil die Seele das Organ ist, um im Dienste der Ideen ein gottgefälliges
 
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