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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0045
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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Formbegriff kann für denjenigen Denker, der immer nicht nur
auf Siodpsor; und ouoia, sondern zugleich auch auf äpsTY) und
oxpeXeia sein Forschen richtete, niemals im Zahlbegriff ganz auf-
gegangen sein. Hingegen muß die Explikationstheorie des Neu-
pythagoreismus als eine Lehre angesehen werden, in welcher die
grundsätzliche Position Platons, wie sie aus seinen eigenen Schriften
einleuchtet, preisgegeben ist. Platons göttlich-Eines, nach dem
Ganzen der Ideenlehre, nicht nur nach der Idealzahlenlehre betrach-
tet, ‘entfaltet’ sich weder zur bestimmten Vielheit der Ideen noch
zur unbestimmten Vielheit der Phänomene, sondern es ist als das
Absolut-Eine etwas grundsätzlich anderes als jedes Tispap und jedes
arusipov: es verleiht die (von Aristoteles stets verworfene) Methe-
xis. Und auch das seelisch-Eine Platons ist kein komplizit-Eines,
das sich in das psychisch-Mannigfaltige expliziert, sondern es ist
Vernunftfunktion, welche Syllektik ermöglicht, also Dialektik vor-
aussetzt. Bei den Pythagoreern aber ist der mathematisierende
Denkstil so einseitig zum beherrschenden1 geworden, wie in der
Stoa der substantiierende. Ja die Struktur des Zahlensystems
symbolisiert für den Pythagoreer sogar noch das höchste Prinzip,
sie gibt zugleich das Fazit aller Ethik: Ziehe dich selber in deine
letzte, tiefste Wesenseinheit zurück, da bist du Gott, da liegt das
Göttliche eingefaltet als innere Form deiner phänomenalen Vielheit.

ihn zu dem machte, was er war und was ihn schließlich zum Lehrer aller ande-
ren nach ihm werden ließ, war, wie es Robin richtig ausgedrückt hat (in
La theorie Platonicienne de l’amour, Paris 1908) die Kraft seiner ‘Synthesis’,
und zwar die, alle so verschiedenen Momente seines eigenen Philosophierens
zur Totalität zu gestalten; die Späteren aber ergriffen alle nur Einzelnes von
ihm. Gerade die Art, wie aus der Platonischen Synthesis der nachplatonische
Syndesmos wurde, zeigt zwar die lückenlose Stetigkeit der hellenischen Denk-
entwicklung, zugleich aber die Preisgabe des Platonischen Prinzips, daß Philo-
sophieren kein Abbilden der Objektwelt, sondern ein Ausgehen und Folgern
vom Eigensein der Denkerkenntnis und von der Sicherheit ihrer Behauptungen
her ist (Soph. 248, 249 -epieikTjcpevca tw \6yco xb ov). So ist denn in der Tat
Platons Lehre von den Idealzahlen das Medium, durch welches der Platonismus
hindurch mußte, um von Aristoteles transformiert, von den Pythagoreern
rezipiert werden zu können; beides aber konnte nur geschehen, indem statt
des ganzen Platon nur ein Lehrstück des alten Platon genommen wurde, und
zwar in der Form, in der sehr bald die Schultradition es zum Erstarren
brachte.
1 Vgl. z. B. den bei Plotinos, Enn. VI, 6, 9, S. 396, Z. 19 (Müller) stehen-
den Satz pythagoreischen Ursprungs: tö piv Öv äpiügöt; 7]vcopivo<;, tcc 8s
Övtoc s*;sZ7}Aiy[Avo<; äpt,-9p.o<;.
 
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