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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0050
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Ernst Hoffmann:

(nämlich durch seinen Weltbegriff, seinen Gottesbegriff und seine
Transformation des Platonischen Ideenbegriffs) zu Grundelementen
jenes sogenannten Synkretismus1, der zur Zeit des jungen Christen-
tums die allgemeine Weltanschauung2 in der gebildeten griechisch-
römischen Welt ist. Dieses philosophische Dogma, daß Ein Abso-
lutes, Göttliches das unbedingt maßgebende Prinzip ist, nach dem
wir unser ganzes Weltbild und unseren Lebensweg einzurichten
haben, und daß dieses Absolute, selber unbewegt bleibend, dennoch
Bewegung mitteilt, d, h. durch Generation oder Explikation oder
Emanation zunächst einen noch gottförmigen Bereich erster
Dignität schafft, ein Ideenreich oder Zahlenreich oder Lichtreich,
und daß durch dessen Vermittlung Gott in der Welt und in der
ganzen Mannigfaltigkeit ihrer gesollten Gestaltungen wohnt,
vor allem aber in uns selbst, indem das Göttliche in der Menschen-
vernunft als Funke glimmt, oder als geistiger Same in uns keimt,
oder als tiefste Einheit in uns wirkt, diese Dogmatik ist es, die als
1 Auf engem Raume gibt Martin Dibelius, Urchristentum und Kultur
(Heidelberger Universitätsreden 2) einen umfassenden und scharfen Überblick.
- Die größeren Werke, auch Wendlands Hellenistisch-Römische Kultur,
lassen die Bedeutung der philosophischen Problematik und Systematik des
Hellenismus für die Bildungsvoraussetzungen des frühen Christentums allzu-
sehr vermissen. Kult- und literargeschichtliche Formanalysen sowie das Auf-
spüren orientalischer Einwirkungen auf die hellenistische Weltanschauung
haben im letzten Menschenalter gewiß reiche Einsichten gebracht, aber sie
scheinen Interesse und Blick für die in der Tiefe liegenden, dort wirkenden
und in der christlichen Philosophie wirksam gebliebenen philosophisch-syste-
matischen Faktoren fast verdrängt zu haben.
2 Ed. Norden, Agnostos Theos, S. 230, schreibt: ‘Wir haben uns eben
viel mehr, als wir es gewohnt sind, in die Anschauung hineinzuleben, daß die
mächtige Flutwelle, die sich im Christentum über den Okzident ergoß, sich
dort mit Strömungen verband, die schon viel früher, ja wenn man will, seit
dem Beginn des Kontakts der Nationen Platz gegriffen und die Fusion der
Religionen und ihrer Dogmen vorbereitet hatten.’ Meine Ausführungen möch-
ten zeigen, welch starken Anteil gerade die philosophische Begriffsbildung
der sogenannten platonischen Richtungen der hellenistischen Zeit an der Vor-
bereitung jener Fusion hatten. In der archaischen und der klassischen Zeit
der griechischen Philosophie hatten die ‘Schulen’ dominiert; das allgemein
Weltanschauliche war durch die Religion gegeben gewesen. Vom Hellenismus
an gibt es jenseits aller Schulkontroversen in weiten Schichten der Gebildeten
statt der Religion eine Art allgemein-philosophischer Gesinnung und Welt-
anschauung, welche, da aus Platonkonversion stammend, bis in die Diktion
hinein mit Platonismen gefüllt ist. Vgl. die Wahl der Bilder, deren sich
Paulus I. Kor. 13 bedient. (Vierteliahrssc.hr. f. Literatunviss. u. Geistesgesch.
IV, S. 58—73.)
 
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