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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0063
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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von der Magie1, Platons Askese von der Kathartik aus zu deuten2,
das Ziel seines Erkenntnisweges als mystische Entrückung zu
fassen3, aus den Phasen seines Seelenweges Platons Zugehörigkeit zu
einer Sekte zu folgern4, und die Supertranszendenz seiner Gottheit
als substantiellen Seinsquell5, womöglich unter orientalischem Ein-
fluß6, zu erklären. Daß solche Fehldeutungen, wenn auch nur
1 Das tut zum Beispiel, wer den Theages für echt hält und nicht sehen
kann, daß diese Schrift bereits den unplatonischen Weg zu Sokrates als einem
Wundermanne weist.
2 Es ist ebenso einseitig zu sagen, Platon habe das Reinwerden der Er-
kenntnis nur um des Reinwerdens der Seele willen gefordert, wie es einseitig
ist zu sagen, die Läuterung der Seele habe für ihn nur bildliche Bedeutung ge-
habt, um den logischen Weg zur Dialektik zu symbolisieren. Maßgebend ist
der Charakter des Ideenkosmos; da jede Idee ‘unteilbare Ganzheit’ ist, kann
auch von wahrhafter Teilhabe an der Idee nur geredet werden, wenn ‘das
Ganze’ des Menschen sich um die Teilhabe bemüht. Platons asketisches
Motiv war dem hippokratischen verwandt, daß ‘die heiligen Dinge nur heiligen
Menschen offenbart Avürden’, es gibt opyux ema-ryip)?, die nichts mit Okkul-
tismus zu tun haben (Lex 5).
3 Es sollte eine Warnung bleiben, wie Natorp von der ersten zur zweiten
Auflage seines Platonbuches die angeblich reine Logik Platons in eine angeb-
lich reine Mystik verwandelte.
4 Die Versuche, Platon zum Orphiker zu machen, beruhen im Grunde
auf der gleichen Art von Fehlinterpretationen wie die Versuche, sein Sokrates-
porträt zugunsten der Sophistik auszuspielen. In Wirklichkeit stand Platon
im Kampfe sowohl gegen die Orphik, welche der Welt die Teilhabe am Guten
absprach, wie gegen die Sophistik, welche dem Wissen die Teilhabe am Sein
versagte.
5 Eine Diskussion hierüber ist nur möglich, wenn der logische und onto-
logische Charakter der Methexis auf Grund der im Parmenides entwickelten
Dialektik als genuin-Platonisches Problem verstanden wird.
6 Auf diese Weise hat man erstens die böse Weltseele in den Gesetzen
neben der guten im Timaios, zweitens das Nebeneinander von schlechtem und
gutem Lebensideal im Theaetet, drittens den Übergang von der philosophisch-
politischen Aktivität der Politeia zur kontemplativen Haltung der Spät-
dialoge als Zeugnisse dafür genommen, daß schon Platon im Alter pessimisti-
schen und quietistischen Tendenzen, die vom Orient kamen, zuneigte. Da-
gegen ist erstens zu sagen, daß für Platon das Psychische in der Welt grund-
sätzlich die Geburtsstätte der Alternative, somit der Zweiheit von gut und böse
ist. (Eine Stelle wie Ep. VII, 334 e muß durchaus im Zusammenhang mit
Soph. 263 e, Theaet. 189e, 190a und verwandten Stellen erklärt werden.)
Zweitens, daß der Dualismus der Vorbilder notwendig aus der Bestimmung
der Vernunft folgt, zwischen Gesolltem und Nichtgesolltem zu ‘entscheiden’,
womit also keineswegs eine ‘Idee des Schlechten’ postuliert ist, sondern unter-
halb der Ideensphäre der Bereich konkreter Ideale, zwischen denen zu ‘wählen’
ist. Drittens, daß Theoria und Praxis nach Platon zwar beim typischen Rhetor
 
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