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Ernst Hoffmann:
zwar in Bezug aufeinander, aber prinzipiell different von einander
gedacht werden müssen.
Ebenso grundsätzlich war die Umwandlung des Gottesbegriffes.
Gehen wir von dem Eins-sein Gottes bei Platon aus, so stand seine
Theologie historisch auf der Linie der Logoslehre, die von Heraklit
zu Sokrates geführt hatte: Es gibt eine Macht, in welcher der
Grund beschlossen liegt, daß Alles in der Welt letztlich so geschieht,,
wie es dem gesollten Weltsinn entspricht. IlavTa g£TpIwg zjzi
ist gut platonisch gesagt. Wenn dem aber so ‘ist’, dann stimmt
mit dem Sein der Schein nicht überein: die Sinnwidrigkeit eines
Geschehens wie der Verurteilung des Sokrates zu bestreiten,
scheint unmöglich. Gerade dieser Kontrast nun dient dem plato-
nischen Sokrates dazu, um desto zäher die Stellung zu halten:
Gott ist nicht nur die Ursache, aus der folgt, sondern er ist auch
die Macht, die dauernd dafür ‘sorgt’, daß alles Geschehen zutiefst
in Ordnung geht; daß das Gute nicht nur sein soll, sondern auch
‘seiend ist’, allem Scheine zum Trotz; daß der Mensch, der das
Gute will, in diesem Wollen auch siegt, sogar seiner physischen
Vernichtung zum Trotze. Die Folge guter Gesinnung ist unbeding-
tes Gut-Ergehen, und hieran kann weder ein Diesseits noch ein
Jenseits, weder ein Mensch noch ein Gott etwas ändern1. Doch
hiermit ist zugleich für Platon erschöpft, was sich als unbedingt
wahr und positiv über Gott aussagen läßt, und es darf und soll
auch hiermit erschöpft sein. Da die Gottesidee von den übrigen
Ideen abgesondert werden muß; da sie im noetischen Sinne nicht
wißbar ist; da Gott transzendent und immanent zugleich ist; da
er die Verschiedenheit von Seiendem und Gesolltem überragt, ja
sogar jenseits der Unterschiedenheit von Sein und Werden ist,
so würde es dem Denken, das ihn unmittelbar erkennen wollte,
gehen wie es dem Auge geht, das in die Sonne sieht; die überlichte
Helle blendet. Deshalb lassen sich zwar dialektisch Einzelfragen
über Gott scheinbar stellen, z. B. über den Begriff des Eins-seins,
des Guten-an-sich, des Voraussetzungslosen, des Grundes der
Methexis. Aber erstens wird keine dieser Erörterungen Gottes
Übersein selbst erreichen, da jede in dialektischer und syllektischer
Antithetik und Heterothetik begrifflich sich bewegen muß (sie
sind also sämtlich nicht Begriffe von Gott, sondern nur dialektische
1 Vgl. Stellen wie Apol. 30 c oi> yap ÜEgiTov. Diese Überzeugung verleiht der
Platonischen Philosophie neben dem Kennzeichen der Entsagung an die
empirische Welt das Kennzeichen des Trotzes gegen sie.
Ernst Hoffmann:
zwar in Bezug aufeinander, aber prinzipiell different von einander
gedacht werden müssen.
Ebenso grundsätzlich war die Umwandlung des Gottesbegriffes.
Gehen wir von dem Eins-sein Gottes bei Platon aus, so stand seine
Theologie historisch auf der Linie der Logoslehre, die von Heraklit
zu Sokrates geführt hatte: Es gibt eine Macht, in welcher der
Grund beschlossen liegt, daß Alles in der Welt letztlich so geschieht,,
wie es dem gesollten Weltsinn entspricht. IlavTa g£TpIwg zjzi
ist gut platonisch gesagt. Wenn dem aber so ‘ist’, dann stimmt
mit dem Sein der Schein nicht überein: die Sinnwidrigkeit eines
Geschehens wie der Verurteilung des Sokrates zu bestreiten,
scheint unmöglich. Gerade dieser Kontrast nun dient dem plato-
nischen Sokrates dazu, um desto zäher die Stellung zu halten:
Gott ist nicht nur die Ursache, aus der folgt, sondern er ist auch
die Macht, die dauernd dafür ‘sorgt’, daß alles Geschehen zutiefst
in Ordnung geht; daß das Gute nicht nur sein soll, sondern auch
‘seiend ist’, allem Scheine zum Trotz; daß der Mensch, der das
Gute will, in diesem Wollen auch siegt, sogar seiner physischen
Vernichtung zum Trotze. Die Folge guter Gesinnung ist unbeding-
tes Gut-Ergehen, und hieran kann weder ein Diesseits noch ein
Jenseits, weder ein Mensch noch ein Gott etwas ändern1. Doch
hiermit ist zugleich für Platon erschöpft, was sich als unbedingt
wahr und positiv über Gott aussagen läßt, und es darf und soll
auch hiermit erschöpft sein. Da die Gottesidee von den übrigen
Ideen abgesondert werden muß; da sie im noetischen Sinne nicht
wißbar ist; da Gott transzendent und immanent zugleich ist; da
er die Verschiedenheit von Seiendem und Gesolltem überragt, ja
sogar jenseits der Unterschiedenheit von Sein und Werden ist,
so würde es dem Denken, das ihn unmittelbar erkennen wollte,
gehen wie es dem Auge geht, das in die Sonne sieht; die überlichte
Helle blendet. Deshalb lassen sich zwar dialektisch Einzelfragen
über Gott scheinbar stellen, z. B. über den Begriff des Eins-seins,
des Guten-an-sich, des Voraussetzungslosen, des Grundes der
Methexis. Aber erstens wird keine dieser Erörterungen Gottes
Übersein selbst erreichen, da jede in dialektischer und syllektischer
Antithetik und Heterothetik begrifflich sich bewegen muß (sie
sind also sämtlich nicht Begriffe von Gott, sondern nur dialektische
1 Vgl. Stellen wie Apol. 30 c oi> yap ÜEgiTov. Diese Überzeugung verleiht der
Platonischen Philosophie neben dem Kennzeichen der Entsagung an die
empirische Welt das Kennzeichen des Trotzes gegen sie.