Metadaten

Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0124
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
120

Ernst Hoffmann:

Doch der Begriff der Teilhabe verlangt, wofern er in christlich
mystischem Sinne verstanden werden soll, noch in einer anderen
Hinsicht entschiedene Umbildung. Es genügt nicht, daß Gott uns
Teilhabe an 'Ideen’ gewährt, sondern es wird ersehnt, daß er uns
Teilhabe an seinem eigenen Selbst schenke. Daher kann es für die
Participatio der endlichen Vernunft an der absoluten Wahrheit in
der neuen Mystik als einzige Form nur noch die der 'Illuminatio’
geben: Gott, der im Seelengrunde selbst dreifältig wirkt, ist zu-
gleich das Licht, an dem allein Wahrerkenntnis der Seele sich ent-
zünden kann. Augustinus hat in der Erkenntnislehre den Über-
gang von der Participatio zur Illuminatio selber wörtlich vollzogen.
Die Ideen leuchten nicht mehr wie bei Platon mit eigener Kraft,
sondern im Lichte Gottes; die Wahrheit wohnt nicht mehr als
Sein im Reiche der ewigen Ideen, sondern als Abglanz Gottes
in den unsterblichen Seelen seiner Kinder. Somit gehen Wahrheit,
Ideen und Intellekt unmittelbar auf Gott selber zurück, und das
Erkenntnisideal liegt im Kontakte mit Gott, d. h. das Mystische
ist in den Begriff der Erkenntnis selber verlegt1. Der Intellekt
muß sich unmittelbar an Gott selber 'entzünden’. Im Lumen
rationis internae leuchtet das Urlicht. Platons Teilhabe ist nur
noch insofern (dem Worte nach) erhalten, als unser Seelenlicht eben
der Entzündung am Urlichte bedarf und somit der Partizipation
an ihm. Selbst Johannes war nicht das Licht, sondern zeugte nur
von ihm. Tn qua differentia satis ostenditur animam rationalem
vel intellectualem . . . sibi lumen esse non posse, sed alterius veri
luminis participatione lucere2’. Vom Sinn der Methexis ist außer
dem Worte nichts erhalten: Erkennen ist jetzt intelligibles 'Sehen’,
und selbst das Urteilen ist ein Sehen, denn wir können nur urteilen,
wo wir sehen: Tn ipsa incommutabili veritate mens rationalis et
intellectualis intuetur, eaque luce de his omnibus iudicat’. Die Spon-
taneität der Denkerkenntnis, der diskursive und alternative Cha-
rakter des Urteils tritt ganz zurück hinter der Lichtsymbolik, die
alle Erkenntnis, je reiner sie ist, um so mehr zur Visio intellectualis
werden läßt. Dem Vigere in Dei aeternitate und dem Gaudere in
Dei bonitate tritt das Lucere in Dei veritate ebenbürtig an die
Seite; ja alle drei sind im Grunde Dasselbe. Unser Streben nach
Einheit (subsistere), nach Seligkeit (inhaerere), nach Wahrheit (con-
1 Weiteres bei J. Bernhart, Die philos. Mystik des Mittelalters, S. 257,
Anm. 119.
2 Civ. D. X, 2.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften