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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0125
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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templari) sind für Augustins christlichen Affekt untrennbar. Es ist
die neue christliche Form des Eudämonismus, daß unser Streben
nach Einheit und Wahrheit schon Streben nach Seligkeit ist; denn
das Endziel ist Finis perficiens, non interficiens. Leben, Erkenntnis
und Seligkeit werden in der ewigen Stille nicht beendet, sondern
vollendet werden als ein und dasselbe Bei-Gott-sein. Augustins
Mystik hat nichts mit Quietismus zu tun1; und gerade wegen ihres
aktivistischen Grundzuges verlangt sie, daß schon hienieden wirk-
lich und wirkend die Wahrheit 'in’ unserer Seele ist und umso heller
leuchten wird, je mehr unser seelischer. Zustand dasjenige Fluidum
schafft, in welchem Gottes Flamme leuchten kann. Dies Fluidum
aber ist nach Augustinischen Voraussetzungen sittlicher Natur.
Denn wenn das Urlicht Gott selber ist, wenn Gott nicht nur höch-
stes Objekt aller Erkenntnis ist wie bei Platon2, sondern nunmehr
zutiefst auch eigentlich einziges Subjekt aller wahren Erkenntnis
— denn sein Licht ist die Kraft, aus der alle Erkenntnis allein sich
nähren kann ■—, so wird eben dieses Licht wahrhaft erst leuchten
in der ihm gemäßen Sphäre und Umwelt, d. h. in einer sittlich
reinen, dem Heiligen zugewrandten, dem Gebote Gottes in tätigem
Gehorsam entgegenkommenden Seele. Diese wird sich, wie die Hel-
lenisten es schon forderten, nicht nach außen wenden, noch in der
Vielheit sich zerstreuen dürfen; sie wird streben müssen, innere
Einheit in sich selber zu bleiben und ihres Wesensgrundes bewußt
1 Selbst das Erkenntnisproblem wird vor allem als Problem des "Strebens’
nach Erkenntnis gefaßt.
2 "Otl ye 7] vou ayoc-9-oü iSea piyiaTov Resp. VI, 505a. Es ist
bekannt, in welchem Maße die "Erleuchtung’ bei Platon, vom Staate bis zum
VII. Briefe, Symbol für die Erkenntnis ist. Aber nur Symbol. Die Idee des
Guten "leuchtet’ wie die Sonne; wie das Auge "Licht’ braucht zum Sehen,
so die Vernunft Wahrheit zum Erkennen; alle Erscheinungen haben am Sein
teil wie alles Sichtbare am "Tage’. Aber J. Stenzel, Der Begriff der Erleuch-
tung bei Platon, Die Antike II, 1926, S. 257 sagt zutreffend: "Die Erleuchtung
über gut und böse bedeutet für Platon Erkenntnis der Welt durch sachlichste
Wissenschaft; sie ist nicht Regung des verantwortlichen Gewissens, keine Er-
lösung durch göttliche Gnade, keine Leitung durch einen mit einem Charisma
begnadeten Führer. Diejenige Ichvorstellung, die in den obengenannten Be-
griffen beschlossen ist, fehlt dem Griechen, sie fehlt auch Platon.’ Daß aus
Platons Lichtsymbolik die spätere Lichtmystik wurde, ist unablösbar von den
Wandlungen der Denkform im Hellenismus. Diese aber wiederum war die:
Voraussetzung, daß die Araber ihre vorislamische Lichtmetaphysik in ihren
Aristotelismus und Neuplatonismus einbauen konnten. In dieser Gestalt kam
die "Einstrahlung’ (die typisch arabische Form der Participatio) in die abend-
ländische Mystik hinein. S. o. S. 47 Anm. 1.
 
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