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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0127
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Platonismus und Mystik im Altertum.

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Prägung gegeben, welche fortan mit aller platonisierenden Speku-
lation über das Weltall als den ‘sichtbaren Gott’ verbunden blieb,
namentlich als späterhin die Wirkung des Timaios der einer Offen-
barung1 nahezu gleichkam.
Seitdem der Stoiker Kleanthes sein monumentales Preislied
auf Zeus als auf den Urquell und das Urgesetz der Natur gedichtet2,
und seitdem Aratos, in Nachfolge dessen, sein Epos über die Him-
melserscheinungen mit frommen Versen auf den Allvater eingeleitet
hatte3, war diese Form des Gebetes zum Lobgesang'e ausgestaltet,
und damit war der poetische Hymnus auf die Gottheit auch in die
Philosophie eingeführt. Diese Tatsache sollte für die Philosophie
von nicht geringerer Bedeutung werden als für die Dichtung; denn
durch die folgende Entwicklung der philosophischen Hymnologie
wurde die Möglichkeit geschaffen, nicht nur dem All des gottdurch-
drungenen Stufenkosmos und seiner Dreinatur durch künstlerische
Mittel eine bildmäßige Anschaulichkeit zu geben, sondern auch eine
sprachliche Ausdrucksform4 für dasjenige Eine und Höchste zu
schaffen, das nach dem Kanon der Logik als ‘unsagbar’ galt.

1 Das Wort zu verstehen im genuin griechischen Sinne, wie er von Hera-
kleitos an gültig war: Das Weltgesetz wird nur dem Denken offenbar, aber es
ist ausdrückbar in vergeistigter Rede. Darum hatte Herakleitos es Logos
genannt. S. E. Norden, Logos und Rhythmus, Rektoratsrede an der Universität
Berlin 1928. Die geistige Form, in der menschliche Rede den Logos des Kosmos
allein kundtun kann, ist für Platon mythopoietischer Art; denn nur diese hat
Mittel, für das Werden und seine Genesis Worte zu finden.
2 Kleanthes setzt, Begriff und Anschauung großartig vereinend, den
Logos mit dem Blitze gleich: ‘Dir gehorcht das Weltgebäude kreisend um den
Erdenball. Willig wandelt’s in den Bahnen, die du weisest mit der Waffe
deiner Iierrscherhand, dem spitzen, leuchtenden, lodernden, nimmer erlöschen-
den, ewig lebendigen Blitz. Und das All gehorcht erschauernd, wo des Blitzes
Kraft es trifft. Also regelst und verteilest du Vernunft, Gesetz und Leben, die
von den feurigen Wellen getragen alles durchströmen’. (Übersetzung von
Wilamowitz, Antike I, 158.)
3 Die Paulusrede auf dem Areopag Act. XVII, 28 zitiert daraus V. 5:
'Der Herr ist nicht ferne von einem jeglichen unter uns, denn in ihm leben,
weben und sind wir, wie auch etliche Poeten bei Euch gesagt haben: Denn
wir sind seines Geschlechtes’.
4 Ihre Symbole haben sich, trotz der Länge des Weges, den die Mystik
von Byzanz bis zu Eckehart zurückzulegen hatte, in christlichen Chorälen bis
auf den heutigen Tag erhalten. ‘Morgenglanz der Ewigkeit, Licht vom uner-
schöpften Lichte’ sind Worte, die Silbe für Silbe in einem neuplatonischen
Texte stehen könnten. Die Vermittlung liegt wohl in dem anonymen Kirchen-
liede Splendor paternae gloriae, De luce lucem proferens, Lux lucis et fons
 
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