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Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0140
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Ernst Hoffmann:

Realität jenes Gottesempfindens und in den Formen seines Aus-
druckes uns noch heute die hohe Kultur des antiken Spätplatonis-
mus ahnen läßt. Wir bemerken dabei stärker als je zuvor den Kon-
trast der jetzt vollendeten Mystik zum genuinen Platonismus der
Ideenlehre; aber wir können trotzdem immer noch das Gleichartige
der Hymnen studieren als das beredte Zeugnis dafür, wie auch in
dieser Mystik, in dieser ganz zu Religion gewordenen Philosophie
noch immer antike Denkkraft und Denkfreudigkeit am Leben ge-
blieben sind. Vor allem aber, wir können von Proklos, Synesios und
Boethius lernen, in wie verschiedenartiger Weise der antike Geist
sich gegen das Christentum oder in ihm oder neben ihm zu behaup-
ten versuchte, als die neuplatonische Philosophie und die neue Reli-
gion, ein halbes Jahrtausend nach ihrer Entstehung, jene Symbiose
eingingen, die bestimmt war, durch die Werke des Areopagiten den
Charakter einer dauernden Wesensgemeinschaft anzunehmen.
Alles, was Proklos geschrieben hat, war im Einklang mit der
Grundtendenz seiner ganzen Spekulation, Begriffssystematik und
Theurgie auf der Grundlage einer die gesamte griechische Historie
umfassenden Gelehrsamkeit zu verbinden und sie in einer Mystik
des supertranszendent-Einen gipfeln zu lassen, in der er selber das
Wesen des Neuplatonismus zu endgültigem Ausdruck bringen
wollte. Die Schwierigkeiten, das Werk des Proklos im Ganzen zu
verstehen, werden vermindert, wenn man darauf verzichtet, den
Hierophanten und den Forscher irgendwie gegeneinander isolieren
zu wollen. Die so weit verzweigte, ja scheinbar zerspaltene literari-
sche Wirksamkeit des Proklos muß aus der letzten Einheit seiner
Intention verstanden werden, welche in Theorie und Praxis dieselbe
war und in der Tat das Gebot der Stunde'in sich enthielt: noch ein-

ganz veralteten, wegen vieler Einzelheiten aber immer noch wertvollen Ab-
schnitt in A. Döring, Gesch. d. griech. Philos., Lpz. 1903, II, S. 489—534.
Durchführung und Ausbau der eigenen Systematik des Proklos muß vor allem
aus der Institutio Theologica ersehen werden (ed. Creuzer, Frankf. a. M.,
1822. Griechisch mit englischer Übersetzung v. E. R. Dodds, Oxford 1933),
die Zeller vorbildlich in seiner Darstellung mit Parallelen namentlich aus den
Kommentaren zu Platon versehen hat. — Für die Hymnen der Neuplatoniker
harrt der Bearbeitung eine Aufgabe, welche sprachpsychologischem Können
reichen Ertrag verspricht: es gilt, jene Wortsymbolik (über das bloß Lexikali-
sche hinaus) deutbar zu machen, die zum Schibboleth aller abendländischen My-
stikwurde. Die Sichtung des Wortschatzes hat L. v. Liempt in seiner Disser-
tation De vocabulis Hymnorum Orphicorum atque aetate, Purmerend 1930,
vorgenommen.
 
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