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LXXI. Ein kurcze 1er vnd auflegung (n. 26—29).

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die Sünde eines Sohnes ist, der seinen Vater beleidigt. Es ist viel
größere Strafe und Buße darauf gesetzt, als wenn er seinen Bruder
beleidigt hätte. Diesen großen Unterschied bedenke und vergib,
damit dir vergeben werde. Sonst sind alle deine guten Werke,
deine Almosen, dein Gebet, alles verloren und zu nichte gemacht,
wenn du dich nicht mit deinem Nächsten aussöhnst, wie unser
lieber Herr Jesus Christus selber gesagt hat: „Hat dein Bruder
etwas wider dich, so lege dein Opfer nieder und versöhne dich erst
mit deinem Bruder“.

Und führe uns nicht in Versuchung
27. Wir sind alle hier in dieser Welt in der Versuchung, von
vielen Feinden werden wir versucht. Deshalb müssen wir um Frie-
den und Geleit bitten. Denn wir befinden uns auf dem Weg, weil
wir von dannen sollen von der Fremde dieser Welt zu dem Vater-
land. Wer Geleit hat, geht sicher; wer aber nicht um Geleit bittet
und es nicht begehrt, wird oftmals gefangen und kommt zu Scha-
den. Die da gewohnheitsmäßig sündigen, wandern ohne Geleit und
sondern sich ab und werden durch die Finsternis der Sünde ver-
blendet, so daß sie das wahre Licht nicht sehen können. Es ver-
schwindet vor ihnen: so wie die Sonne untergeht, dann kommt die
finstere Nacht.
28. Der Versuchungen sind so viele und starke, daß jeder
Mensch, er sei gut oder böse, wohl der Hilfe Gottes bedarf, damit
er in der Versuchung nicht verlassen wird. Denn wir werden dau-
ernd angefochten und versucht von dem eigenen Fleisch, von der
Welt und von dem Teufel. Diesen drei Feinden können wir kaum
widerstehen, wir bedürfen der Hilfe Gottes, denn er will uns nicht
verlassen, aber wir müssen auch unseren Fleiß daran setzen. Wenn
wir nur dringend um Hilfe bitten und doch nicht von den Sünden
ablassen wollen, so werden wir auch von Gott verlassen.
29. Leider findet man viele Menschen, die mit ihrem bösen
Willen der Versuchung zuvorkommen und nicht warten, bis sie ver-
sucht werden, und sich selber in Versuchung bringen und aus die-
sem Grunde die Stätten und Gesellschaften und alles, was ihnen
ein Anlaß zum Sündigen ist, nicht meiden wollen. Ein solcher be-
gibt sich freiwillig in Versuchung. Wäre das nicht ein törichter
Mensch, der sich seinem Feind freiwillig in die Hand gäbe, dem
er gut entfliehen könnte ? Er hat kein Recht, zu sagen, daß Gott
 
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