Metadaten

Nikolaus [Hrsg.]; Koch, Josef [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1938/39, 4. Abhandlung): Die Auslegung des Vaterunsers in vier Predigten — Heidelberg, 1940

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41999#0211
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Drittes Kapitel: Erläuterungen. § 1.

211

kommen. Er zeigt zunächst den innern Zusammenhang zwischen
Glaube, Hoffnung und Liebe auf. Wo kein Glaube ist, kann keine
Hoffnung sein; und wo keine Hoffnung, da auch keine Liebe.
Durch den Glauben kommen wir also zur Hoffnung, von dieser zur
Liebe. Die Liebe ist aber ihrerseits der Ausgangspunkt für eine
vertiefte Erkenntnis; denn Gott tut sich dem kund, der ihn liebt.
Darum darf es uns nicht genügen zu glauben, wir müssen uns be-
mühen, zur Einsicht fortzuschreiten, das mit der Vernunft zu er-
fassen, was wir bereits im Glauben umfangen. Das ganze Werk
ist der Erreichung dieses Zieles gewidmet. Man sieht deutlich, daß
wir hier dieselbe Haltung wie bei Cusanus finden: das Streben
nach Verständnis des Geglaubten. Nun gibt es auch in n. 1 einige
Anhaltspunkte, die es wahrscheinlich machen, daß Cusanus den
Text des Viktoriners gekannt hat. Den Aufstieg zum Verständ-
nis schildert Richard1 als Aufstieg bis zum dritten Himmel der
Gottheit. Es ist aber ein besonderes Gnadengeschenk Gottes, bis
dorthin in der Betrachtung aufzusteigen und das geistige Auge auf
den Glanz dieses Himmels zu richten. Diese Gnade schenkt der
Hl. Geist den Menschen, die wirklich geistlich sind: er zeichnet sie
dadurch vor andern aus, daß er sie in einer höheren und vollkom-
meneren Weise erleuchtet. So gelangen sie zu einem tieferen Ver-
ständnis des Ewigen. Hier haben wir eine offensichtliche Parallele
zu n. 1, S. 24, 14ff. Ein strikter Beweis für die Abhängigkeit von
,,De trinitate“ läßt sich natürlich nicht führen.
Nach der formalen Disposition entwickelt Cusanus die in-
haltliche in zwei Stufen. Auf der ersten (n. 3) baut er gleichsam
das Gerüst für das Ganze: das Vaterunser gibt dem, der sich von
ihm erleuchten läßt, eine umfassende Lehre von Gott und der Welt.
Es zeigt, „welches der Anbeginn und Ursprung aller Dinge,
welches ihr Ausfluß aus Gott, welches das Mittel ihres Rück-
flusses und welches ihr Endziel ist“2. Wie die einzelnen Teile
1 a.a. O. 890: „Tertium autem caelum ad solam pertinet divinitatem;
nam de eo scriptum est, quia solus habitat aeternitatem. . . . Sed singulare
donum et prae omnibus praecipuum est usque ad hoc caelum penna contem-
plationis volare et intellectuales oculos eius radiis infigere. . . . Ad hoc utique
ultimum caelum spirituales viros Spiritus Christi sublevat, quos revelantis
gratiae praerogativa ceteris altius pleniusque illustrat. Toties enim ad hoc
caelum Spiritu sublevante attollimur, quoties per contemplationis gratiam ad
aeternorum intelligentiam promovemur.“ — Abgesehen von S. 24, 14ff. vgl.
man dazu auch S. 34, 2ff. und De Docta Ignorantia III c. 11, S. 152, 28ff.,
wo die Annäherung an Richard noch größer ist.
2 Über die Vorgeschichte dieser Disposition vgl. weiter unten § 4.

14*
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften