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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1974, 6. Abhandlung): Zur Chronologie der Eklogen Vergils: vorgelesen am 27. April 1974 von Viktor Poeschl — Heidelberg: Winter, 1974

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https://doi.org/10.11588/diglit.45449#0027
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Zur Chronologie der Eklogen Vergils

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in ecl. 9,32-34. Da das Verhältnis von Ernst und Bosheit in den Ver-
sen, die ecl. 7 und 1 verbinden, analog ist, liegt die Annahme der Per-
siflage auch für sie nahe, so daß wieder ecl. 1 die Priorität zu geben
und auch ecl. 7 nicht zwischen 9 und 1 eingeschachtelt zu denken
wäre.
9. Die Eklogen 6 und 7 sind also später als die Eklogen 9 und 1 und
damit als die Stücke 2, 3, 5, 9, 1. Sind sie auch früher als ecl. 4? Ekloge
4 zitiert sogleich zu Beginn aus ecl. 6. Ecl. 4,2: «non omnis arbusta
iuvant humilesque myricae» ist zu lesen vor dem Hintergrund von ecl.
6,10 f.: «te nostrae, Vare, myricae, / te nemus omne canet». Ekloge 6
ist demnach zwischen ecl. 1 und 4 einzuordnen.
10. Wohin aber gehört ecl. 7? Gibt es Anklänge zwischen 4 und 7,
und läßt sich ihre Priorität entscheiden? Ecl. 4,21 f.: «ipsae lacte do-
mum referent distenta capellae / ubera» und ecl. 7,3: «distentas lacte
capellas» gehören zweifellos zusammen. Snell gab ecl. 7 die Priorität,
ihm folgte Becker. Ich habe in meinem Aufsatz über Hirtenhierarchie
die umgekehrte Auffassung vertreten7. Die Vorstellung, daß nicht die
Euter, sondern die Tiere selbst prall von Milch gespannt sind, scheint
mir eine gewagte Kurzfassung der ersten Vorstellung und sekundär zu
sein8.
Bisher wäre also die Reihe gewonnen: 2, 3, 5, 9, 1, 6, 4. Zwischen 4
und 1 scheint nur ecl. 6 entstanden zu sein, ecl. 7 ist später. Wie spät
ist sie?
11. Das zeitliche Verhältnis von ecl. 7 und 8 ergibt sich aus ecl. 8,63:
«non omnia possumus omnes» und ecl. 7,23: «si non possumus om-
nes». Das erstere scheint die Priorität zu haben. Der Corydon der sie-
benten Ekloge beruft sich eben auf die in ecl. 8 von dem Dichter aus-
gesprochene Sentenz. So ist also ecl. 7 später als ecl. 8. Zwischen ecl. 4
und 8 scheint kein bukolisches Gedicht entstanden zu sein: die buko-
lische Muse schwieg über vier Jahre hin?
7 Philologus 113 (1969), S. 191, Anm. 1.
8 An Parallelen zu ecl. 7,3 hatte ich a. O. nur Lucan IV 314 genannt. Zu ergänzen
wäre das um Nikander, Ther. 553: περισφαραγεϋσα (sc. μόσχος) γάλακτι. Vgl.
auch [Verg.J, Culex, v. 76: «rorantes lacte capellae» (dazu Büchner, a. O., Sp. 74),
doch wohl in Übersteigerung von ecl. 7,3. - Eine entsprechende Übertragung
liegt vor, wenn έντετάσθαι nicht vom Glied Pans oder Priaps, sondern von diesen
selbst gesagt wird. Vgl. Diod. Sic. I 88 und IV 6. Beide Stellen enthalten übri-
gens Vorstellungen, wie sie hinter ecl. 7,33-36 liegen: dort folgt der Anrede
Priaps ein Du, welches als sein Phallus aufzufassen ist (angedeutet bei V. Pöschl,
Die Hirtendichtung Virgils, Heidelberg 1964, S. 117, Anm. 29). Vgl. auch Dieg.
VIII 35 f. zu Call., Iambus IX, fr. 199 Pf. = Pfeiffer (ed.) I, p. 196.
 
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