Zur Chronologie der Eklogen Vergils
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gleichen kann man aus dem Text erschließen. Nicht ist also die achte
Ekloge arkadisch, sondern nur das Rollenich und der Gegenstand in
einem der beiden in ecl. 8 von Hirten gesungenen Lieder.
Der Schaltvers in diesem ersten Lied ruft nicht wie der des Thyrsis in
id. 1 die bukolischen Musen an, sondern das eigene Hirtenrohr («ti-
bia»), welches zu maenalischen Versen16 anheben soll (v. 21). Warum
nicht die bukolischen Musen des ersten Idylls? Weil diese in ecl. 4 zu
Höherem aufgerufen worden waren: «Sicelides Musae, paulo maiora
canamus». Warum die eigene («mea») tibia? Weil Vergil in ecl. 4 als
Epiker und offenbar ohne Beistand musischer Götter17 mit Pan zu kon-
kurrieren angekündigt hatte und es demgegenüber nun ein Hirt ist,
welcher den wiederum eigenen Anspruch, aber nun innerhalb der Welt
Pans, neu vertreten soll. Warum »maenalische Verse»? Das sagt die
zweite Strophe des Liedes: «Maenalus argutumque nemus pinusque
loquentis / semper habet, semper pastorum ille audit amores / Panaque
qui primus calamos non passus inertis» (v. 22-24). Zu dieser Strophe
merkt A. Richter an18: «Virgile se trouve visiblement devant une decou-
verte recente.» Darin ist erkannt, daß die Entfaltung Arkadiens erst
in ecl. 8 beginnt.
Die Syrinx ist eine Erfindung Pans; das hatte schon in ecl. 2,31 ff.
gestanden. Der Hirt, der die tibia spielt, steht nicht nur als Hirt unter
dem Patronat des Hirtengottes - Pan und die Hirten hatte schon ecl.
5,59 verbunden: «Panaque pastoresque», welche Stelle also auch ein
Modell der betrachteten Verse in ecl. 8 ist -, sondern auch als Künstler.
Pan gehört nach Arkadien, dessen Berg Maenalus (vgl. Theocr., id.
1,124 im Kontext der Verse 123-130) sein Syrinxspiel hört: so ist dieses
maenalische Musik. Die Hirten, die in Pans Gefolgschaft auf Hirten-
rohren spielen, bringen also ebenfalls maenalische Verse hervor. Daß
diese Musik zugleich die Musik hebender Hirten ist, knüpft an die
Eklogen 2 und 3 (vgl. in letzterer bes. v. 109 f.), an die theokritischen
Idylle 1, 3 und 11 an. Damit stellt die Arkadienvorstellung der achten
Ekloge eine Wiederaufnahme der Themen der frühesten Eklogen in
der Sprache des Schlusses von ecl. 4 dar, in Gestalt der Umkehr von
16 Das Wort «versus» ist den drei späten Eklogen gemeinsam (8,21; 10,50; 7,18 und
23); von den drei frühen hat es nur ecl. 5 (v. 2), von den vier mittleren nur ecl. 6
(v. 1).
17 v. 55-57: wenn Vergil den puer besingt, wird er Orpheus und Linus besiegen,
selbst wenn jenen ihre Eltern, Calliope und Apollo, beistehen. Vergils einzige
<Inspirationsgottheit> scheint der puer zu sein; vgl. Poet. Refl., S. 168.
18 a. O.,S. 66 f.
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gleichen kann man aus dem Text erschließen. Nicht ist also die achte
Ekloge arkadisch, sondern nur das Rollenich und der Gegenstand in
einem der beiden in ecl. 8 von Hirten gesungenen Lieder.
Der Schaltvers in diesem ersten Lied ruft nicht wie der des Thyrsis in
id. 1 die bukolischen Musen an, sondern das eigene Hirtenrohr («ti-
bia»), welches zu maenalischen Versen16 anheben soll (v. 21). Warum
nicht die bukolischen Musen des ersten Idylls? Weil diese in ecl. 4 zu
Höherem aufgerufen worden waren: «Sicelides Musae, paulo maiora
canamus». Warum die eigene («mea») tibia? Weil Vergil in ecl. 4 als
Epiker und offenbar ohne Beistand musischer Götter17 mit Pan zu kon-
kurrieren angekündigt hatte und es demgegenüber nun ein Hirt ist,
welcher den wiederum eigenen Anspruch, aber nun innerhalb der Welt
Pans, neu vertreten soll. Warum »maenalische Verse»? Das sagt die
zweite Strophe des Liedes: «Maenalus argutumque nemus pinusque
loquentis / semper habet, semper pastorum ille audit amores / Panaque
qui primus calamos non passus inertis» (v. 22-24). Zu dieser Strophe
merkt A. Richter an18: «Virgile se trouve visiblement devant une decou-
verte recente.» Darin ist erkannt, daß die Entfaltung Arkadiens erst
in ecl. 8 beginnt.
Die Syrinx ist eine Erfindung Pans; das hatte schon in ecl. 2,31 ff.
gestanden. Der Hirt, der die tibia spielt, steht nicht nur als Hirt unter
dem Patronat des Hirtengottes - Pan und die Hirten hatte schon ecl.
5,59 verbunden: «Panaque pastoresque», welche Stelle also auch ein
Modell der betrachteten Verse in ecl. 8 ist -, sondern auch als Künstler.
Pan gehört nach Arkadien, dessen Berg Maenalus (vgl. Theocr., id.
1,124 im Kontext der Verse 123-130) sein Syrinxspiel hört: so ist dieses
maenalische Musik. Die Hirten, die in Pans Gefolgschaft auf Hirten-
rohren spielen, bringen also ebenfalls maenalische Verse hervor. Daß
diese Musik zugleich die Musik hebender Hirten ist, knüpft an die
Eklogen 2 und 3 (vgl. in letzterer bes. v. 109 f.), an die theokritischen
Idylle 1, 3 und 11 an. Damit stellt die Arkadienvorstellung der achten
Ekloge eine Wiederaufnahme der Themen der frühesten Eklogen in
der Sprache des Schlusses von ecl. 4 dar, in Gestalt der Umkehr von
16 Das Wort «versus» ist den drei späten Eklogen gemeinsam (8,21; 10,50; 7,18 und
23); von den drei frühen hat es nur ecl. 5 (v. 2), von den vier mittleren nur ecl. 6
(v. 1).
17 v. 55-57: wenn Vergil den puer besingt, wird er Orpheus und Linus besiegen,
selbst wenn jenen ihre Eltern, Calliope und Apollo, beistehen. Vergils einzige
<Inspirationsgottheit> scheint der puer zu sein; vgl. Poet. Refl., S. 168.
18 a. O.,S. 66 f.