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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0015
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Ovids poetische Menschenwelt

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des zweiten Typs - Drachenzähne (met. 3,101 ff. und 7,121 ff.) und
Ameisen (met. 7,614ff.) werden in Krieger verwandelt (wenn man das
Hervorwachsen aus der Saat der Drachenzähne überhaupt als deren
Metamorphose betrachten darf), in zwei Fällen ein Ausgleich für voran-
gegangene Menschenverluste - bestätigen nicht nur als solche Ausnah-
men die Regel, sondern lassen eben das Prinzip jener Regel erkennen:
Ovids ausschließliches Interesse am Menschen. Darüber hinaus gilt für
die Drachenzähne und Ameisen in ihrer Beziehung zu den aus ihnen
entstehenden Menschen auf der Bedeutungsebene das gleiche wie für
die Gestalten, in die hinein Menschen verwandelt werden: es handelt
sich um ihre Metaphern. Das wird für die ovidischen Metamorphosen
von Menschen unten in Kapitel Α.Π.2 (S. 56ff.) begründet werden, mag
aber für die Drachenzähne und die Ameisen auch unabhängig von sol-
chen Nachweisen plausibel sein, sei es aus den Geschichten selbst und
wie gerade Ovid sie erzählt, sei es aus expliziten Texthinweisen. Vgl.
met. 7,655-657: „mores, quos ante gerebant (sc. Myrmidones qui ante
formicae = μύρμηκες fuerant), nunc quoque2 habent; parcum genus est
patiensque laborum / quaesitique tenax, et quod quaesita reservet.“ Im
Blick auf das angekündigte Kapitel über den Sinn der Metamorphose
läßt sich hier vorwegnehmend formulieren, daß eine Verwandlung der
Krieger des Aiakos in Ameisen in bezug auf das Wesen dieser Krieger
keine andere Aussage bedeutet hätte. Der metaphorische Bedeutungs-
zusammenhang zwischen den narrativ genetisch verbundenen Dra-
chenzähnen und den Kriegern in der Cadmus- und der lasongeschichte
ist offenbar das Herauswachsen aus dem Grund in fertig ausgewachse-
ner (das Kindesalter überspringender) und (mit Waffen) bewehrter Ge-
stalt, aus welcher wesenhaften Krieger- und Kampfbestimmung der
Bruderkrieg folgt {met. 3,106-114. 117; met. 7,121-130. 141 f.).
Der zweite Ausnahmetyp, Götter verwandeln sich in Menschen oder
Tiere, zeigt eine von den Menschenmetamorphosen in jeder Hinsicht
derart verschiedene Verwandlung, daß man sie, eben wegen ihrer kate-
gorischen Differenz, mit der Menschenmetamorphose konfrontieren
und ihre Eigenart zur klareren Erkenntnis der letzteren nutzen kann.
Götter verwandeln sich selbst; die Menschen werden von den Göttern
vorübergehenden Verwandlungen der Götter in den Metamorphosen ,falsche‘ (falsus)
hießen.
2 Zu „nunc quoque“ als stehender Formel in aitiologischen Erzählungen, als Indiz für
aitiologische Quelle und zugleich Symptom aitiologischer Formtradition und Werkinten-
tion der ovidischen Dichtung vgl. u. S. 70ff.
 
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