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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0016
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Ernst A. Schmidt

verwandelt. Götter verwandeln sich in der Regel, um Menschen auf die
Probe zu stellen, zu versuchen, zu täuschen oder zu verführen. Daher
steht in Geschichten von Götterverwandlungen die Verwandlung am
Anfang und bestimmt Exposition und Durchführung der Erzählung. Als
Illustration mag die Geschichte von Jupiter und Europa dienen (met.
2,836ff.): die Stiergestalt des Gottes bildet den Anfang und die Voraus-
setzung der Erzählung. In den Menschenmetamorphosen ist die Ver-
wandlung das Ende wie des Menschen, so der Erzählung. Götterver-
wandlungen sind vorübergehend, Menschenmetamorphosen endgültig.
In der Überleitung zu einer der seltenen Ausnahmen, mehrfachem Ge-
staltwechsel von Menschen - es handelt sich um Erysichthons Tochter,
welche „transformia corpora“ besitzt (met. 8,871) - wird eben dem ein-
maligen und bleibenden Gestaltwechsel die Verwandlungskunst des
Proteus gegenübergestellt: „sunt [. . .] quorum / forma semel mota est et
in hoc renovamine mansit;/ sunt, quibus in plures ius est transire figuras,/
ut tibi [. . .] Proteu./ [. . .] (met. 8,728ff.). Als wieder rückgängig zu ma-
chende haben die Götterverwandlungen oft den Charakter von täu-
schender Verkleidung und falschem Schein, Menschenmetamorphosen
sind wahr und wirklich und ewig. Der Gott legt die Gestalt des trügeri-
schen Stieres ab (met. 3,1: „posita fallacis imagine tauri“), der Lorbeer-
baum bleibt ewig Lorbeer: nie mehr verwandelt er sich in das Mädchen
Daphne zurück.
Es leidet keinen Zweifel, daß Ovids zentrale Intention im Zusammen-
hang mit der Metamorphose eben auf diese je das Ende einer Ge-
schichte bildenden und endgültigen Menschenverwandlungen gerichtet
ist. Ja, man wird sagen können, daß nach der natürlichsten Auffassung
des Proömiums (met. 1,1-4) die vorübergehenden Götterselbstverwand-
lungen, das Wechselspiel des Annehmens und Ablegens fremder Ge-
stalten, nicht mitgemeint sind. Man versteht „mutatas“ und „mutastis“
in v. 1 und 2 resultativ und denkt an die in unserer Welt bleibend und
sichtbar vorliegenden Ergebnisse einmaliger Akte. Und sich bei der
Gebetsbegründung: ,denn Ihr habt die Verwandlungen bewirkt1 von
Menschen erlittenes Wirken der Götter und dauernde Wirkungen zu
vergegenwärtigen, ist einfacher, als auch noch ihre täuschenden und
vorübergehenden Selbstverwandlungen einbezogen zu denken.
 
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