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Ernst A. Schmidt
Thema“)· (2) Das Zentralthema dieses ,Teils1 könnte auch außerhalb
dieses ,Teils1 noch Thema sein, wenn vielleicht auch nur Nebenthema.
Beides ist tatsächlich der Fall. Zu (1): Beginnt man Ludwigs 5. Groß-
teil zu lesen (met. 5,250ff. bzw. 268ff.), so wundert man sich zunächst,
daß Anmaßung und Götterstrafe das kompositionsbestimmende und
also auch den Einsatz dieses Teils bei v. 250 oder 268 erklärende Prinzip
oder auch nur das beherrschende Thema sein sollen. Denn die Hauptge-
schichte in diesen vierhundert Versen des 5. Buches ist die Entführung
der Proserpina durch den Unterweltsgott und die Suche der Ceres nach
ihrer Tochter. Und auch Ludwigs eigener Bericht (S. 33 ff.) zu seinem 5.
Großteil zeigt klar das Vorhandensein auch anderer Themen. Zu (2):
Otis nennt seine Sektion II „The Avenging Gods“; sie reicht von met. 3,1
bis 6,400. Wenn diese thematische Sektionsbildung nicht reine Willkür
ist, muß es das Hauptthema von Ludwigs Großteil 5 auch außerhalb
dieses Teils geben. Und Otis hat auch wirklich insofern recht, als sich im
3. und 4. Metamorphosenhuch die verwandten Geschichten von Actae-
on, Semele, den tyrrhenischen Schiffern, Pentheus und den Minyiaden
finden und damit Ludwigs 3. Großteil (met. 3,1-4,606) in nahezu glei-
cher Weise vom Thema göttlicher Strafe beherrscht ist wie sein 5. Teil,
der u. a. die Metamorphosen von Pyreneus, den Pieriden, von Arachne,
Niobe, den lykischen Bauern und Marsyas umfaßt.
Beide, Otis wie Ludwig, begründen die Existenz ihrer Großteile oder
Sektionen also auch von der Themendominanz her. Man findet bei
ihnen passim diese Wendungen: „beherrschendes Thema“, „Haupt-
thema“, „Grundthema“, „major motif“, „dominant motif“, „major
theme“, „dominant theme“. Gegenüber den beiden Gelehrten sage ich
anders und neu allein, daß Themendominanz nicht zu Bauteilen im Sinn
von Blöcken und Fugen führt. Der Dominanzbereich läßt sich nicht mit
Versstellen als Grenzen definieren. Ich kritisiere hier also Ludwigs Ana-
lyse nicht, weil er Großteil 5 so beschreibt, daß die Beschreibung eigent-
lich auch seinen Großteil 3 einschließen müßte - das hegt an Ludwigs
Wechsel der Perspektiven von Großteil zu Großteil: so betrachtet er den
3. Teil genealogisch (Kadmosfamilie in Theben), den 5. Teil thema-
tisch -, sondern ich wende mich gegen die Methode der Sektionsbildung
überhaupt, also auch gegen Otis, der jene Unstimmigkeit der Struktur-
betrachtung bei Ludwig nicht teilt. Gegen Sektionsbildung spricht von
der Themendominanz her nicht allein die sachliche und praktische Un-
möglichkeit der exakten Grenzziehung, sondern auch die mit ihr gege-
bene kompositionelle Abschnürung des Dominanzbereichs eines The-
mas von dessen Gestaltungen außerhalb, sei es vorher, sei es nachher.
Ernst A. Schmidt
Thema“)· (2) Das Zentralthema dieses ,Teils1 könnte auch außerhalb
dieses ,Teils1 noch Thema sein, wenn vielleicht auch nur Nebenthema.
Beides ist tatsächlich der Fall. Zu (1): Beginnt man Ludwigs 5. Groß-
teil zu lesen (met. 5,250ff. bzw. 268ff.), so wundert man sich zunächst,
daß Anmaßung und Götterstrafe das kompositionsbestimmende und
also auch den Einsatz dieses Teils bei v. 250 oder 268 erklärende Prinzip
oder auch nur das beherrschende Thema sein sollen. Denn die Hauptge-
schichte in diesen vierhundert Versen des 5. Buches ist die Entführung
der Proserpina durch den Unterweltsgott und die Suche der Ceres nach
ihrer Tochter. Und auch Ludwigs eigener Bericht (S. 33 ff.) zu seinem 5.
Großteil zeigt klar das Vorhandensein auch anderer Themen. Zu (2):
Otis nennt seine Sektion II „The Avenging Gods“; sie reicht von met. 3,1
bis 6,400. Wenn diese thematische Sektionsbildung nicht reine Willkür
ist, muß es das Hauptthema von Ludwigs Großteil 5 auch außerhalb
dieses Teils geben. Und Otis hat auch wirklich insofern recht, als sich im
3. und 4. Metamorphosenhuch die verwandten Geschichten von Actae-
on, Semele, den tyrrhenischen Schiffern, Pentheus und den Minyiaden
finden und damit Ludwigs 3. Großteil (met. 3,1-4,606) in nahezu glei-
cher Weise vom Thema göttlicher Strafe beherrscht ist wie sein 5. Teil,
der u. a. die Metamorphosen von Pyreneus, den Pieriden, von Arachne,
Niobe, den lykischen Bauern und Marsyas umfaßt.
Beide, Otis wie Ludwig, begründen die Existenz ihrer Großteile oder
Sektionen also auch von der Themendominanz her. Man findet bei
ihnen passim diese Wendungen: „beherrschendes Thema“, „Haupt-
thema“, „Grundthema“, „major motif“, „dominant motif“, „major
theme“, „dominant theme“. Gegenüber den beiden Gelehrten sage ich
anders und neu allein, daß Themendominanz nicht zu Bauteilen im Sinn
von Blöcken und Fugen führt. Der Dominanzbereich läßt sich nicht mit
Versstellen als Grenzen definieren. Ich kritisiere hier also Ludwigs Ana-
lyse nicht, weil er Großteil 5 so beschreibt, daß die Beschreibung eigent-
lich auch seinen Großteil 3 einschließen müßte - das hegt an Ludwigs
Wechsel der Perspektiven von Großteil zu Großteil: so betrachtet er den
3. Teil genealogisch (Kadmosfamilie in Theben), den 5. Teil thema-
tisch -, sondern ich wende mich gegen die Methode der Sektionsbildung
überhaupt, also auch gegen Otis, der jene Unstimmigkeit der Struktur-
betrachtung bei Ludwig nicht teilt. Gegen Sektionsbildung spricht von
der Themendominanz her nicht allein die sachliche und praktische Un-
möglichkeit der exakten Grenzziehung, sondern auch die mit ihr gege-
bene kompositionelle Abschnürung des Dominanzbereichs eines The-
mas von dessen Gestaltungen außerhalb, sei es vorher, sei es nachher.