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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0091
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Ovids poetische Menschenwelt

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(Otis) ausspielt oder das eigene Analyseprogramm qualifizieren (und
damit disqualifizieren) muß. Sie ist neu als Methode, in ihrer Konse-
quenz und in ihrem Gültigkeitsanspruch, und sie ist neu in ihren über die
Beobachtungen und Interpretationen der Vorgänger hinausgehenden
Resultaten, d.h. in der in ihrer Verfolgung und Anwendung liegenden
weiter aufschließenden Kraft.
Die großen Themen, deren Führung durch Ovid in den Metamorpho-
sen zu beobachten ist, sind in den meisten Strukturanalysen irgendwie
mit im Blick. Sie sind also offenbar jedenfalls vorhanden, und jedem
Leser regen sie seine Erinnerung an; daß es sich wirklich um die Themen
handelt, muß die spätere jeweils einem solchen Thema geltende Be-
trachtung begründen.
Dies sind in meinen Augen die großen Themen der Metamorphosen'.
1. Mensch und Welt: moralistische Anthropologie (insbesondere
Menschenerschaffung als Wesensaussage); Bedrohung von Menschheit
und Welt durch den Menschen. 2. Götterliebe zu Menschen. 3. Götter-
zorn und -strafe. 4. Liebe der Menschen. 5. Leiden an Sterblichkeit und
Überwindung des Todes. Diese fünf Grundthemen sind nicht in der Rei-
henfolge ihres ersten Auftretens genannt. Denn das erste Auftreten ei-
nes neuen Themas bedeutet nach Ovids Kompositionsweise nicht den
Beginn eines neuen Teils oder die Anfangsstellung nach einer Zäsur,
sondern ist mit dem ersten Auftreten eines neuen Themas in einem Mu-
sikstück zu vergleichen, wo etwa der Keim eines neuen Themas im Be-
reich noch des alten sich zeigt. Genannt sind die fünf Themen im Nach-
einander ihrer Dominanzbereiche im ovidischen Werk.
Für die Darstellung verschiedener Aspekte der mit ,Themenführung‘
umschriebenen thematischen Kompositionsweise Ovids nehme ich je
Zitate von Fränkel, Ludwig und Otis zum Ausgang.
§ 17 Wechselnde Themendominanz
Walther Ludwig charakterisiert met. 5,250/268-6,420, seinen 5. Groß-
teil, so6: „Menschliche, die Gottheit herausfordernde Anmaßung, gött-
licher Zorn und gottgesandte Strafe sind das beherrschende Thema des
5. Großteils.“ In dieser Formulierung kann man eine doppelte Einsicht
impliziert sehen: (1) Menschenanmaßung und Götterzorn sind nicht das
einzige, sondern nur das F/auprthema dieses ,Teils1 („das beherrschende

Ludwig (1965), Struktur der Metamorphosen, S. 38.
 
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