Metadaten

Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0096
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
94

Ernst A. Schmidt

allein in der Überwindung eines Teile fixieren wollenden Struktursche-
mas, sondern auch darin, daß sie die Auffassung chronologischen, histo-
rischen und kausalen Nacheinanders von Erzählungen durch themati-
sche und motivische Zusammenhänge und Variationen ablöst.
Der Wechsel der jeweiligen Hauptthematik, die Verschränkungen
und Verschachtelungen, die Querbezüge, die in solchen Verzahnungen
und im narrativen Kontinuum begründete Zäsurlosigkeit des Werkes
entsprechen sowohl der ovidischen Formel des „carmen perpetuum“ als
auch dem Leseeindruck des stetigen, der erzählten Zeit nach scheinbar
lückenlosen, der Erzählung nach pausenlosen Zugs des Gedichtablaufs,
der gleitenden Themenverschiebung und des Charakterwandels der
Dichtung. Im Zusammenhang mit Strukturanalysen und Einzelinterpre-
tationen hat die Ovidforschung schon wiederholt Einblick in die Kunst
der Kohärenzbildung der Metamorphosen gewonnen. Ich werde in den
folgenden Kapiteln im Zusammenhang der Hauptthemen zumal auf
diese thematische Komposition abheben, wie das für das erste Haupt-
thema, die Anthropologie der Exposition, bereits in Kap. A.1.2 gesche-
hen ist. Die Interpretationen in B.II sind, weil es nur um die Methode
der Kompositionsbeschreibung gehen soll, bloß illustrativ; weder sind
erschöpfende Einzelinterpretationen noch Vollständigkeit der Behand-
lung aller Erzählungen und Aspekte der Metamorphosen beabsichtigt.
Ich verdeutliche dieses methodische Konzept hier noch mit einer an-
deren Metaphorik, der des Theaters, d.h. der Übertragung bzw. der (bis
zu einem gewissen Grade möglichen) Umsetzung des epischen Gedichts
ins Szenisch-Dramatische, also etwa in eine Metamorphosen-Op&r. Die
Dramaturgie hätte entschieden auf Akteinteilungen und Vorhänge
(Pausen) zu verzichten. Ich stelle mir eine offene tiefe Drehbühne in
langsamer Bewegung vor, auf der in Haupt- und Neben- oder Hinter-
grundszenen gespielt wird und durch die Verschiebung im jeweiligen
Bühnenausschnitt neue Kombinationen von Szenen entstehen. Die je-
weilige thematische Verwandtschaft von Szenenfolgen, von Nebenthe-
men, die zu Hauptthemen werden, oder umgekehrt von Vordergrund-
szenen, die sich thematisch in Hintergrundszenen fortsetzen, müßte
durch je spezifische Beleuchtung und musikalisches Thema (bzw. Leit-
motivtechnik oder Gattungscharakter der Musik wie Marsch, Tanz usf.
- Schöpfungsmusik verschieden von Apotheosenmusik; Götter und
Menschen, Liebe und Rache motivisch und stilistisch gegeneinanderge-
setzt) unterstrichen werden.17

17 Einige Analogien glaube ich, nach der Besprechung von Wolfgang Schreiber in der
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften