Ovids poetische Menschenwelt
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§ 21 Cupidos Pfeile oder Der Triumph der Liebe
Es bedarf keines besonderen Nachweises, daß die erste Liebesge-
schichte der Metamorphosen als Triumph Amors zu lesen ist (vgl. met.
1,463-465. 519 f.): Cupidos Bogen hat Macht noch über den Bogner und
Pythonsieger Apollo, sein Ruhm übertrifft den Ruhm Apollos.
Es gibt in den Metamorphosen insgesamt nur drei Liebesgeschichten,
in denen Cupido ausdrücklich, als szenisch sichtbarer und handelnder
Gott, auftritt und mit seinen Pfeilen Liebe erweckt.7 Dreimal wird Cupi-
dos Pfeil gleichsam das Herrschaftsinstrument über die Welt (also statt
Jupiters Blitzen), dreimal in Geschichten der Überwindung von Göt-
tern. Und diese drei Geschichten bilden einen wohl kalkulierten Dreier-
schritt.
Der zweite Schuß des Liebesgottes trifft, auf Bitten seiner Mutter Ve-
nus, den Herrn der Unterwelt, Pluto {met. 5,362ff.), der daraufhin Pro-
serpina liebt und entführt. Beim dritten Mal8 ist Venus, die eigene Mut-
ter, das Opfer {met. 10,525ff.)9, und die Verwundung mit der Pfeilspitze
geschieht absichtslos. Venus liebt Adonis, weil Cupido, der Knabe mit
dem Köcher, bei der Umarmung seiner Mutter ihr versehentlich mit
einem hervorstehenden Pfeil die Brust streifte: „inscius exstanti destrin-
xit harundine pectus“ {met. 10,526).
Die Beschränkung des Motivs von den Pfeilen Cupidos auf nur drei
und zwar drei weit auseinandergestellte Geschichten und die raffinierte
Variation der Motivation innerhalb dieses identischen Motivs bezieht
die Geschichten als Sequenz einer Steigerung aufeinander: 1. Cupido als
7 Vgl. Ludwig (1965), Struktur der Metamorphosen, S. 35: „Die Liebe des Pluto [. . .]
bildet gewissermaßen das Zeugnis für den Triumph Amors über die ganze Welt. Der
Liebesgott ist sonst nur vor der ersten in den Metamorphosen erzählten Liebesge-
schichte, der Sage von Apoll und Daphne, in persona aufgetreten (I,452ff.).“
8 Nach dem Raub der Proserpina war das Cupidomotiv in lakonischen Andeutungen
(Flucht Cupidos, Cupido im Traum, Cupido unschuldig) im Zusammenhang zwischen-
menschlicher Liebesgeschichten für seine Krönung wachgehalten worden: in met. 7,12.
55 und 73 (Medea), in met. 9,482f. (Byblis), in met. 10,311 f. (Myrrha); vgl. auch met.
4,321. - Unmittelbare Vorbereitung ist natürlich met. 10,515-518, der Vergleich des Kna-
ben Adonis mit Bildern des nackten Amor.
9 Daß in allen drei Geschichten der Pfeil ,harundo‘ heißt, im Ablativ und an gleicher Vers-
steile steht: u harundine - - (met. 1,471; 5,384; 10,526), ist wohl nicht signifikant: die
Metonymie ist ganz üblich, und in Versen mit Penthemimeres (bei Ovid die Regel) ist für
Wörter der Prosodie u-u u die einzige Alternative zu dieser Versstellung die mit „et“,
,,-que“ oder einsilbiger kurzer Präposition (vorausgesetzt, deren Kürze kann erhalten
bleiben) zwischen Penthemimeres und bukolischer Dihärese. Nach meiner Beobachtung
stehen solche Wörter aber fast immer an der anderen Stelle.
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§ 21 Cupidos Pfeile oder Der Triumph der Liebe
Es bedarf keines besonderen Nachweises, daß die erste Liebesge-
schichte der Metamorphosen als Triumph Amors zu lesen ist (vgl. met.
1,463-465. 519 f.): Cupidos Bogen hat Macht noch über den Bogner und
Pythonsieger Apollo, sein Ruhm übertrifft den Ruhm Apollos.
Es gibt in den Metamorphosen insgesamt nur drei Liebesgeschichten,
in denen Cupido ausdrücklich, als szenisch sichtbarer und handelnder
Gott, auftritt und mit seinen Pfeilen Liebe erweckt.7 Dreimal wird Cupi-
dos Pfeil gleichsam das Herrschaftsinstrument über die Welt (also statt
Jupiters Blitzen), dreimal in Geschichten der Überwindung von Göt-
tern. Und diese drei Geschichten bilden einen wohl kalkulierten Dreier-
schritt.
Der zweite Schuß des Liebesgottes trifft, auf Bitten seiner Mutter Ve-
nus, den Herrn der Unterwelt, Pluto {met. 5,362ff.), der daraufhin Pro-
serpina liebt und entführt. Beim dritten Mal8 ist Venus, die eigene Mut-
ter, das Opfer {met. 10,525ff.)9, und die Verwundung mit der Pfeilspitze
geschieht absichtslos. Venus liebt Adonis, weil Cupido, der Knabe mit
dem Köcher, bei der Umarmung seiner Mutter ihr versehentlich mit
einem hervorstehenden Pfeil die Brust streifte: „inscius exstanti destrin-
xit harundine pectus“ {met. 10,526).
Die Beschränkung des Motivs von den Pfeilen Cupidos auf nur drei
und zwar drei weit auseinandergestellte Geschichten und die raffinierte
Variation der Motivation innerhalb dieses identischen Motivs bezieht
die Geschichten als Sequenz einer Steigerung aufeinander: 1. Cupido als
7 Vgl. Ludwig (1965), Struktur der Metamorphosen, S. 35: „Die Liebe des Pluto [. . .]
bildet gewissermaßen das Zeugnis für den Triumph Amors über die ganze Welt. Der
Liebesgott ist sonst nur vor der ersten in den Metamorphosen erzählten Liebesge-
schichte, der Sage von Apoll und Daphne, in persona aufgetreten (I,452ff.).“
8 Nach dem Raub der Proserpina war das Cupidomotiv in lakonischen Andeutungen
(Flucht Cupidos, Cupido im Traum, Cupido unschuldig) im Zusammenhang zwischen-
menschlicher Liebesgeschichten für seine Krönung wachgehalten worden: in met. 7,12.
55 und 73 (Medea), in met. 9,482f. (Byblis), in met. 10,311 f. (Myrrha); vgl. auch met.
4,321. - Unmittelbare Vorbereitung ist natürlich met. 10,515-518, der Vergleich des Kna-
ben Adonis mit Bildern des nackten Amor.
9 Daß in allen drei Geschichten der Pfeil ,harundo‘ heißt, im Ablativ und an gleicher Vers-
steile steht: u harundine - - (met. 1,471; 5,384; 10,526), ist wohl nicht signifikant: die
Metonymie ist ganz üblich, und in Versen mit Penthemimeres (bei Ovid die Regel) ist für
Wörter der Prosodie u-u u die einzige Alternative zu dieser Versstellung die mit „et“,
,,-que“ oder einsilbiger kurzer Präposition (vorausgesetzt, deren Kürze kann erhalten
bleiben) zwischen Penthemimeres und bukolischer Dihärese. Nach meiner Beobachtung
stehen solche Wörter aber fast immer an der anderen Stelle.