Ovids poetische Menschenwelt
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(v. 152-154): „[. . .] puerosque canamus / dilectos superis inconcessisque
puellas / ignibus attonitas meruisse libidine poenam.“ Das schließt noch
Geschichten ein über die genannten hinaus (Atalanta; Myrrha); aber
das sind keine Götterlieben. Met. 11,221-265: Peleus und Thetis; met.
12,189-209: Caenis, von Neptun vergewaltigt, hat für die vom Gott ge-
nossenen Freuden der Liebe einen Wunsch frei: ,„magnum‘ Caenis ait,
,facit haec iniuria votum,/ tale pati iam posse nihil: da femina ne sim.“
(v. 201 f.). Met. 13,900-14,74: Glaucus und Scylla; Circe; met. 14,129 bis
153: Apollo und die Sibylle; 320-434: Picus und Canens; Circe; 622 bis
694. 765-771: Vertumnus und Pomona.
Die Liste ist eindrucksvoll genug: es gibt auch nach dem geschlosse-
nen Block viele Erzählungen zum Thema Liebe von Göttern zu sterbli-
chen Frauen (und Knaben) und (selten) von Göttinnen zu sterblichen
Männern (Venus; Thetis; Circe). Aber nur zweimal entstehen noch
Gruppen von Geschichten: in Buch 4 um Sol, in Buch 10 um Knaben-
liebe, aber die jeweils drei Geschichten sind nur gut hundert Verse lang.
Sonst nur vereinzelte Geschichten: noch zwei am Ende von Buch 2, eine
in Buch 3, zwei in Buch 5, eine in Buch 6, keine in 7, eine in 8, keine in 9,
in Buch 10 außer der Knabenliebe eine Geschichte, eine in Buch 11, je
eine auch in 12 und 13, drei in Buch 14, keine in Buch 15.
Ich halte fest, daß Ovid den Bereich met. 1,452-2,632 offenbar thema-
tisch komponiert hat und die Geschichten nach dem Thema „Götter-
liebe zu Mädchen“ zueinander geordnet sind. Es handelt sich aber in
doppelter Hinsicht nicht um eine geschlossene Dichtungsßüto/mzg:
1. Eingeschlossen ist die große Geschichte von Phaethon, die hier
ebenso eine thematische Ausnahme bildet wie die Metamorphose des
Lycaon im Bereich der Exposition. Daß diese ,Ausnahmen‘ keine Aus-
nahmen zu einer Regel sind, die als Bauplan sei es Ovid sei es diese
Arbeit aufgestellt hat, ist o. S. 89ff. gezeigt worden. 2. Das Thema Göt-
terliebe ist mit jenem Versbereich nicht erschöpft, sondern durchzieht,
vereinzelt und abnehmend, wenn auch mit gelegentlichen neuen Inten-
sivierungen, die ganze Dichtung. Vor genauer Interpretation, die je-
weils auch den Kontext zu beachten hätte, kann man generalisierend zu
diesen Liebesgeschichten nur sagen, daß sie teils (zum geringeren Teil)
denen des thematischen Erzählungskontinuums in Buch 1 und 2 entspre-
chen, teils (zum größeren Teil) gänzlich neue Varianten des Grundthe-
mas darstellen. Ich erinnere auch daran, daß innerhalb jenes themati-
schen Kontinuums zuerst der Typ der Apollo-Daphne-Geschichte,
begehrender Gott und jungfräuliche Verweigerung, durchgespielt
wurde, daß dann aber die Eifersucht Junos dazutritt - innerhalb dieses
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(v. 152-154): „[. . .] puerosque canamus / dilectos superis inconcessisque
puellas / ignibus attonitas meruisse libidine poenam.“ Das schließt noch
Geschichten ein über die genannten hinaus (Atalanta; Myrrha); aber
das sind keine Götterlieben. Met. 11,221-265: Peleus und Thetis; met.
12,189-209: Caenis, von Neptun vergewaltigt, hat für die vom Gott ge-
nossenen Freuden der Liebe einen Wunsch frei: ,„magnum‘ Caenis ait,
,facit haec iniuria votum,/ tale pati iam posse nihil: da femina ne sim.“
(v. 201 f.). Met. 13,900-14,74: Glaucus und Scylla; Circe; met. 14,129 bis
153: Apollo und die Sibylle; 320-434: Picus und Canens; Circe; 622 bis
694. 765-771: Vertumnus und Pomona.
Die Liste ist eindrucksvoll genug: es gibt auch nach dem geschlosse-
nen Block viele Erzählungen zum Thema Liebe von Göttern zu sterbli-
chen Frauen (und Knaben) und (selten) von Göttinnen zu sterblichen
Männern (Venus; Thetis; Circe). Aber nur zweimal entstehen noch
Gruppen von Geschichten: in Buch 4 um Sol, in Buch 10 um Knaben-
liebe, aber die jeweils drei Geschichten sind nur gut hundert Verse lang.
Sonst nur vereinzelte Geschichten: noch zwei am Ende von Buch 2, eine
in Buch 3, zwei in Buch 5, eine in Buch 6, keine in 7, eine in 8, keine in 9,
in Buch 10 außer der Knabenliebe eine Geschichte, eine in Buch 11, je
eine auch in 12 und 13, drei in Buch 14, keine in Buch 15.
Ich halte fest, daß Ovid den Bereich met. 1,452-2,632 offenbar thema-
tisch komponiert hat und die Geschichten nach dem Thema „Götter-
liebe zu Mädchen“ zueinander geordnet sind. Es handelt sich aber in
doppelter Hinsicht nicht um eine geschlossene Dichtungsßüto/mzg:
1. Eingeschlossen ist die große Geschichte von Phaethon, die hier
ebenso eine thematische Ausnahme bildet wie die Metamorphose des
Lycaon im Bereich der Exposition. Daß diese ,Ausnahmen‘ keine Aus-
nahmen zu einer Regel sind, die als Bauplan sei es Ovid sei es diese
Arbeit aufgestellt hat, ist o. S. 89ff. gezeigt worden. 2. Das Thema Göt-
terliebe ist mit jenem Versbereich nicht erschöpft, sondern durchzieht,
vereinzelt und abnehmend, wenn auch mit gelegentlichen neuen Inten-
sivierungen, die ganze Dichtung. Vor genauer Interpretation, die je-
weils auch den Kontext zu beachten hätte, kann man generalisierend zu
diesen Liebesgeschichten nur sagen, daß sie teils (zum geringeren Teil)
denen des thematischen Erzählungskontinuums in Buch 1 und 2 entspre-
chen, teils (zum größeren Teil) gänzlich neue Varianten des Grundthe-
mas darstellen. Ich erinnere auch daran, daß innerhalb jenes themati-
schen Kontinuums zuerst der Typ der Apollo-Daphne-Geschichte,
begehrender Gott und jungfräuliche Verweigerung, durchgespielt
wurde, daß dann aber die Eifersucht Junos dazutritt - innerhalb dieses