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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0119
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Ovids poetische Menschenwelt

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geschichte zum ersten Mal, isoliert, gestaltet worden. Nachdem die Lie-
besgeschichten das Ausgeliefertsein von Menschen an Götter (Verfol-
gung von Jungfrauen) durchgespielt und dabei auch schon das Zorn- und
Strafthema eingeführt hatten (Junos, dann Apollos Eifersucht; Miner-
vas und Merkurs Strafe für Aglauros), spannt sich das Thema göttlicher
Macht in Zerstörung und Strafe vom Anfang des dritten Buches mit
einer Dominanzphase im dritten Buch bis zur Mitte des sechsten, wo es,
noch dichter und intensiver, in einer zweiten Dominanzphase sich
gleichsam noch höher aufgipfelt, ohne dazwischen zurückgetreten zu
sein, sondern sich in relativer Dichte und Verbindung behauptend. Auf
diesem Weg verschiebt es sich: von der Katastrophe der Epiphanie über
Bestrafung der Nichtanerkennung der Göttlichkeit und Gegnerschaft
hin zum hybriden Wettstreit, während Frevel, Verbrechen nach dem
Lycaon-Modell als Begleitthema immer wieder einmal erzählt werden.
Nach met. 6,400 ist das Thema von Zorn, Strafe, Rache der Götter für
Ovid keineswegs gänzlich erschöpft. Zwar mag es zunächst so scheinen,
da von met. 6,401 bis 8,271, d.h. über fast anderthalbtausend (1456)
Verse hin, nichts dergleichen erzählt wird. Aber es spielt dann durchaus
noch mehrfach eine Rolle, wenn auch nicht mehr in der früheren Inten-
sität. Man kann es etwa dreimal in Buch 8, keinmal in 9, zweimal in 10
und dreimal in 11 ausmachen, keinmal in 12, keinmal in 13, einmal in 14,
keinmal in 15.
Der Calydonische Eber ist Strafe der Diana für das Übergehen ihres
Altars beim Erntedankfest (met. 8,271-282).14 Jupiter und Merkur be-
lohnen Philemon und Baucis, bestrafen die Nachbarn, die die Gast-
freundschaft verletzt haben, mit Versenkung in einen Sumpf (met.
8,689-697), gleichsam eine thematische Synthese von Lycaon und Sint-
flut mit Deucalion und Pyrrha. Nach diesen kurzen und weit voneinan-
der getrennten Geschichten, die nur Teile anderer Erzählungen sind,
steht erst met. 8,738-878 mit der Erzählung vom Frevel des Erysichthon
gegen Ceres und seiner gräßlichen Bestrafung durch Hunger eine große
und selbständige Gestaltung des früher dominanten Themas vor uns.
Man liest danach etwas mehr als tausend Verse, bis man wieder ein-
mal auf das Thema stößt, nämlich in zwei kurzen unmittelbar aufeinan-
derfolgenden Geschichten (met. 10,220-242): die zürnende und stra-
14 met. 8,279: „tangit et ira deos“ heißt nicht „Zorn ergreift auch die Götter“ (so Übers.
Breitenbach; vgl. Übers, von Albrecht), sondern: „auch (selbst) Zorn rührt die Götter
an“. Es werden nicht Götter mit Menschen hinsichtlich des Zornaffekts verglichen, son-
dern Zorn mit anderen Regungen, denen Götter ausgesetzt sind.
 
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