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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0127
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Ovids poetische Menschenwelt

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Mal in den Metamorphosen auf, und Krieg wie andere große Gemein-
schaftsunternehmungen (Argonautenzug, Calydonische Jagd) sowie
menschliche Gesellschaft, Städte und Staaten14 15 sind von jetzt an immer
wieder präsent, während es zuvor ausschließlich Individuen gegeben
hatte. Das Wort „bellum“ ist von met. 6,421 bis zum Ende dreimal so
dicht vertreten wie im Gedicht zuvor13 (darüber hinaus, wie gesagt, nun
von Kriegen der Menschen). Auch jetzt bleiben die Erzählungen Ge-
schichten von Individuen, aber ihr Bereich ist nun gewissermaßen histo-
risch-gesellschaftlich. Es handelt sich dabei nicht um eine geschichtliche
Epochensetzung Ovids geschweige denn um den Beginn von Geschichte
gegenüber einer Vergangenheit und Vorzeit, die nicht Geschichte wäre.
Der genannte Krieg wird weder als der erste Krieg bezeichnet, noch ist
er implizit als solcher zu verstehen; eher ist das Gegenteil impliziert.
Ovid markiert also keinen Epochenwechsel, und auch ich sehe vor met.
6,421 keine Zäsur, keine Grenze zwischen Werkteilen. Man kann viel-
mehr das Wort „bellum“ als Stichwort nehmen, das einen neuen The-
menbereich insofern anzeigt, als wir nun in der Welt der menschlichen
Gesellschaft sind. Krieg aber, wie er das traditionelle Epos und das he-
roische Zeitalter bestimmte, ist bei Ovid nur ein Hintergrund, zumal für
Liebesgeschichten. - Dieses ,Historischwerden1 der Metamorphosen ist
kein chronologischer Schnitt, kein Schritt in Geschichte hinein, sondern
thematisch-atmosphärischer Wandel von Göttern als Wirkmächten im
Leben der Menschen zu den mit Menschengemeinschaften und mensch-
licher Kultur gegebenen Existenzbedingungen und Schicksalen von In-
dividuen. Wir wandern unmerklich aus dem Reich des Mythos (nicht in

14 Von den 9 Belegen von „civis“ (5), „civilis“ (3) und „civiliter“ (1) steht nur ein einziger
vor met. 6,420/421: „civilibus [. . .] bellis“ in met. 3,117 (Concordance of Ovid).
15 11 Belegen in den 4288 Versen von met. 1,1-6,420 stehen 60 Belege in den 7707 Versen
von 6,421-15,879 gegenüber oder je einem Beleg pro 390 Verse ein solcher alle 128
Verse einmal (also etwa dreimal so häufig). Für Wörter aus dem Bereich des Krieges gilt
Ähnliches, wenn auch weniger deutlich: „arma“ und „miles“ sind je proportional knapp
zweimal häufiger von 6,421 an, „proelium“ in anderthalbfach größerer Dichte, „pugna“
mehr als doppelt so häufig. Zum Vergleich andere Wörter: „amor“ kommt nahezu
gleich oft vor (Relation 10:11), nämlich alle 95 Verse in met. 1,1-6,420 und danach alle
107 Verse einmal, ähnlich „ira“ (Relation 3:4), etwas anders „lacrima" (Relation 4:3).
Alle diese Berechnungen gehen weder von zwei Gedicht-,Teilen' und einer Zäsur vor
met. 6,421 aus, noch haben sie Abschnitte und Einschnitt zur Konsequenz. Die Relatio-
nen würden sich nicht signifikant ändern, wenn man bei den Berechnungen die Buch-
grenzen vor oder nach Buch 6 gewählt hatte. Mit dem Vergleich der relativen Häufigkeit
von Wortvorkommen kann man keine Grenzlinien konstituieren.
 
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