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Schmidt, Ernst A.; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 2. Abhandlung): Ovids poetische Menschenwelt: die Metamorphosen als Metapher und Symphonie ; vorgetragen am 3. Juni 1989 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48162#0134
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Ernst A. Schmidt

vestri / iuris erunt“‘ (met. 10,724f.) - verwandelt das Blut in eine Ane-
mone und begründet die Adonisfeiern des jährlich sich erneuernden
Bildes seines Todes. Apollo verhindert den Selbstmord des um seine
tote Tochter Chione trauernden Daedalion, indem er ihn beim Sturz
von hohem Felsen in einen Sperber verwandelt (met. 11, 330-345).
Alcyone, schon in einen Seevogel verwandelt, umarmt den angespül-
ten Leichnam des Gatten und küßt ihn („at ille / senserat“, met.
ll,740f.). Nachdem sie vom Erbarmen der Götter beide in Vögel ver-
wandelt sind, bleibt ihre Liebe (742f.: „fatis obnoxius isdem / tunc
quoque mansit amor“). Den Schluß von met. 11 bildet die der Daeda-
lion-Chione-Erzählung verwandte Geschichte von Aesacos, der aus
Schmerz über den Tod der Nymphe Hesperie, die auf der Flucht vor
ihm von einer Schlange gebissen worden war, den Tod durch Sprung
von Klippen in die Tiefe sucht, jedoch in einen Vogel verwandelt und
trotz weiterer Todessehnsucht auf ewig am Sterben gehindert wird -
ein besonders auffälliges und kühnes Beispiel der seelischen Anthro-
pomorphisierung der Welt: im Sturzflug des Tauchervogels auf die
Meeresoberfläche hinab und tief unter sie hinunter ein Gleichnis für
Todessehnsucht und erzwungenes Leben zu sehen. Die Erzählung
verdient auch als Variante eines früheren Geschichtentypus Interesse:
zu Verfolgung und Flucht in Liebeskonstellationen ist hier der Tod
des Mädchens getreten, und Ovid zitiert mit dem Schlangenbiß als
Todesmotiv aus ,Orpheus und Eurydice4.
Überblickt man diesen noch nicht abgeschlossenen Katalog von Ge-
schichten der Überwindung des Todes (die Liste soll gleich fortgeführt
werden), so bemerkt man, daß die meisten Erzählungen Liebesge-
schichten sind. Im Bereich des Hauptthemas Liebe der Menschen ver-
bindet sich der als Nebenthema Liebe von Göttern zu Menschen weiter-
geführte thematische Strang (mit Präfigurationen im vorangegangenen
Dominanzbereich dieses Themas) immer stärker mit dem Thema Lei-
den an der Sterblichkeit und Versuch der Überwindung des Todes:
Schuld des Liebenden am Tod des geliebten Menschen, zuerst in met. 2
(Apollo - Coronis), dann in met. 10 (Apollo - Hyacinthus); Metamor-
phosen nicht des lebenden Menschen, sondern des Toten nach met. 4
(Leucothoe) erst von met. 10 an (Hyacinthus). So darf man geradezu
sagen (wenn dies auch um den in § 32 zu behandelnden Aspekt ergänzt
werden muß), das Thema Apotheose wachse aus dem Liebesthema, sich
befreiend, heraus. Und doch ist es auch wieder, an einer Stelle, thema-
tisch mit ihm verbunden: Caesars Tod ist ebenso Wirken des Fatum und
Machtlosigkeit der Venus diesem gegenüber, und seine Apotheose
 
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