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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]; Heger, Klaus [Honoree]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1992, 2. Abhandlung): Junktion: eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration ; vorgetragen am 4. Juli 1987 ; Klaus Heger zum 22.6.1992 — Heidelberg: Winter, 1992

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48166#0021
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I. Einzelsprachliche Beobachtungen

19

werden infinite Verbalformen, Gerundien und Partizipien zur Anzeige
der Integration in einen anderen Satz verwendet. Auf der Ebene VI
findet nun der Übergang vom verbalen in den nominalen Bereich statt.
Dabei ist die Ebene VI im Französischen und in anderen romanischen
Sprachen janusköpfig. Die Janusköpfigkeit ist auf dem Faltblatt in dem
Kästchen am linken Ende der Zeile VI zum Ausdruck gebracht. Dort
steht in der Mitte „präpositionale Gruppen“; mit einem Pfeil nach oben
steht darüber „regieren eine Infinitiv-Konstruktion“; mit einem Pfeil
nach unten „regieren eine Nominal-Konstruktion“. Wenn es um den
Ausdruck von Ziel und Zweck geht, kann man im Französischen bei-
spielsweise eine Fügung wie à dessein de, de manière à mit nachfolgender
Infinitiv-Konstruktion ebenso verwenden wie etwa à l’adresse de mit
nachfolgendem Nomen. In manchen Fällen erlaubt sogar ein- und die-
selbe Fügung beide Konstruktionen, wie etwa im Falle von à force de.
Man kann sagen „ä force de travailler il a réussi“, man kann aber auch
sagen „ä force de patience il a réussi“; oder „avant de partir il régla ses
comptes“ bzw. „avant son départ il a réglé ses affaires“. In manchen
Fällen ist sogar ein gleichzeitiges Funktionieren auf Stufe VI und auf
Stufe III möglich, wie das folgende altitalienische - heute so nicht mehr
mögliche - Beispiel zeigt:
Questo papa maladisse e scomunicö Arrigo terço imperadore . . . per cagionech’cWi
volle rompere l’unitade della Chiesa.
(„Dieser Papst verdammte und exkommunizierte Kaiser Arrigo den dritten . . . aus
dem Grund, daß er die Einheit der Kirche zerstören wollte.“17)
Daß sich die Janusköpfigkeit im Übergang vom verbalen zum nomina-
len Bereich gerade darin äußert, daß zum Teil auch Infinitiv-Konstruk-
tionen - und sogar noch finite Formen - möglich sind, hängt einerseits
mit dem Doppelcharakter der Infinitiv-Formen zusammen: Infinite
Verbalformen bilden stets einen Übergangsbereich zwischen dem Ver-
bal- und dem Nominalsystem18. Zum anderen hängt dies im speziellen
Fall von Junktionen des Typs ,a ragione di‘, ,a cagione di‘ mit einer
17 Schiaffini 1926:88. - Vgl. zu solchen Möglichkeiten unten Kapitel VI.3.
18 Für die indogermanischen Sprachen ist - aus der Assoziationsforschung - wohlbekannt,
daß Assoziationen auf ein vorgegebenes Wort mit höchster Priorität zu einem Wort der
gleichen Wortklasse gehen. Bei Infinitiven sind die Reaktionen dagegen teils nominal,
teils verbal - was die Position der infiniten als der eher nominalen Formen des Verbal-
systems schön beleuchtet. Vgl. Raible 1981:11 ff. - Der griechische Begriff μετοχή, latei-
nisch adäquat wiedergegeben mit ,participium“, zeigt die Zwitterposition der infiniten
Formen, die zwischen Nomen und Verb stehen. Vgl. dazu auch Kap. VI.1, Anm. 3.
 
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